Der große Ölkrieg
wies mit einem fragenden Blick auf den Koffer.
„Electronic equipment“, antwortete Winfried, so, als hätte er diesen Satz schon tausendmal tausend neugierigen Beamten vorgelegt. Sein Herz klopfte im Hals.
Der Zerberus bedeutete ihm mit unmißverständlicher Geste, den Koffer zu öffnen. Seufzend legte Winfried den Werkzeugkoffer auf das Kontrollpult und klappte den Deckel hoch.
„What for?“ fragte der Pförtner, zwischen Schraubenziehern, Strippen und Meßgeräten wühlend. Natürlich merkte er nicht, daß die Geräte Attrappen waren.
„I am going to check the microphone. Televox Metronics Service, you know?“ Winfried schloß den Koffer und zog ein Telex aus der Tasche. „We’ve got an order from – äh – Muderri Abd ar-Rahman.“
Der Wächter las, zuckte die Schulter und retournierte den Zettel. Dann heftete er Winfried eine Plakette, die ihn als Servicearbeiter auswies, an die Brust, hieß ihn, seine Schuhe abzulegen, und winkte ihn durch die Sperre.
Nun war auch die letzte Hürde genommen. Selbst wenn der Mann nachgefragt hätte, wäre nichts geschehen, denn das Mikrofon in der großen Konversionshalle war tatsächlich fehlerhaft (dafür hatte ein Kamerad gesorgt), und auch das Telex war echt.
Nur er war es nicht.
Winfried kannte den Weg. Ein breiter, teppichbelegter Korridor brachte ihn ins Innere des Gebäudes. Alles war gedämpft hier: Schritte, Geräusche, Worte, das indirekte Licht. Selbst die Stimmung der Besucher paßte sich dem Ort an.
Mit dem Aufzug ins oberste Geschoß. Hinaus aus dem Innenhof, der unter der gigantischen Glaskuppel der Moschee sonnte. Ein perfektes Gewächshaus, wo Palmen und Orchideen gediehen. Die Klimaanlage hatte sicherlich die Leistung eines mittelgroßen Kraftwerkes.
Einen Augenblick hielt Winfried inne. Er mußte diese monumentale Konstruktion bewundern. Die Kuppel war höher, als es die Filme und Bilder, die er kannte, ahnen ließen. Der Platz war größer, als die Koten auf den Bauplänen dies aussagten. Die Vierkant-Säule in der Mitte der Konversionshalle kräftiger, als es die Statik-Berechnungen ergaben. Und der Welt höchstes Minarett, das sich im gleißenden Himmel außerhalb der Kuppel verlor, war majestätischer als alles, was er bisher gesehen hatte.
Aber all dies war mit dem Potential des Westens erbaut. Mit seiner Arbeitskraft, mit seinem Know-how. Und deshalb mußte die Aktion Glaspalast zu Ende gebracht werden. Als Warnung an die Ölkaps, nicht weiterhin ihren religiösen Fanatismus auf Kosten des abendländischen Fortschritts zu pflegen. Als Vergeltung für die Schmach, die dem Westen im Abkommen von Riad zugefügt worden war. Und als Signal für die freie Welt, sich aus selbstverschuldeter Unmündigkeit zu erheben.
Winfried kam in die innere Zone. Ein Zaun aus Alabaster separierte den Kernbereich. Vor dem Tor die übliche Wache. Ein großes Schild verkündete in arabischen Lettern und in internationaler Zeichensprache:
ZENTRALES HEILIGTUM, UNGLÄUBIGEN IST DER EINTRITT STRENGSTENS UNTERSAGT.
Winfried tippte auf seine Plakette und passierte die Sperre. Vor ihm die mit Blattgold verzierte dachlose Konversionshalle. Die Zuschauer – meist Angehörige der Konvertiten – konnten aus den Nebengebäuden am Rande des Atriums die Zeremonien verfolgen. Selbstverständlich wurden diese über Holo in alle Welt übertragen, um zu dokumentieren, daß auch in dieser Woche wieder über siebenhundert Mädchen zum Islam übertraten. Die Vorbereitungen waren in vollem Gange. Aus dem Inneren des Gebäudes kam das Surren der Teppichklopfer. Ein optoelektronisches Netzwerk wurde verlegt. Man baute Kameras auf.
Bevor Winfried die Halle betrat, las er, obwohl er es schon kannte, was über dem Portal in Arabisch sowie in allen Sprachen der CATO geschrieben stand:
„Die arabischen Staaten verpflichten sich, ihre Verbündeten wirtschaftlich und sozial entsprechend den Einzelverträgen zu stützen. Zur Stärkung des kulturellen Austausches tragen die Europäische Gemeinschaft und die Vereinigten Staaten Sorge, entsprechend den in den Einzelverträgen festgelegten Kontingenten Personen weiblichen Geschlechts in Wort, Schrift und Gesinnung auf den Islam vorzubereiten. Dies wurde auf der Konferenz von Riad beschlossen. – Seid daher willkommen, ihr Mädchen, die ihr für würdig befunden wurdet, fortan in Gott zu leben und das Herz des Muslims mit eurer Schönheit zu erfreuen. Zum Ruhme Gottes bezeugt hier euren Glauben. – Gott ist groß! Allahu
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