Der große Ölkrieg
Moschee eine Bombe explodieren. Evakuieren Sie alle Gebäude.“ Dann trennte er die Verbindung, verließ die Zelle und mischte sich unter die Menge, die zur Aussichtsterrasse strömte.
Der Innenhof belebte sich. Beidseits der Straße, die zur Konversionshalle führte, ein Menschenspalier. Man wartete auf die Prozession der Konvertiten.
Da füllte schon der Singsang des Muezzin die Luft. Gewaltige Lautsprecher auf dem Minarett, in tausendvierhundert Metern Höhe, riefen die Gläubigen zum Gebet, und es war wie die Stimme Gottes selbst, die nicht nur Winfried anklagte, sondern auch die PLA und die CATO und die Unfreiheit und das ganze verlogene System.
Unvermittelt brach der langgezogene, wehmütige Ruf ab, und in die schmerzende Stille hinein heulten Sirenen. Dem Empfangsgebäude entströmte eine Schwadron bewaffneter Soldaten, schwärmte aus, verschwand in den Randhäusern. Sie hatten rasch reagiert. Rasch genug jedenfalls. Laser flammten auf und markierten die Notausgänge. Die Menge wurde unruhig; nach Sekunden war der Innenhof von einem nervösen, geschäftigen Ameisenvolk erfüllt, das den rot beleuchteten Ausgängen zuströmte. Auch auf den Tribünen und Terrassen brach das Chaos aus.
Winfried hoffte, im allgemeinen Chaos zu entkommen, aber das war angesichts des Kordons, den die Soldaten um das Besucherhaus gezogen hatten, in dem er sich befand, aussichtslos. Man hatte ihn bereits geortet.
Also riß er seine Plakette von der Brust und versuchte es in den oberen Etagen. Auch dort Polizei. Man trieb die Leute zusammen, kontrollierte jeden einzelnen. Offenbar dachten sie nicht daran, das Gästehaus zu evakuieren.
Sechzehn Uhr fünf.
Eine Chance hatte er noch. Nach den Plänen müßte an das oberste Geschoß eine Brücke zum Nebengebäude stoßen. Vielleicht war dieser Ausgang unbewacht.
Er benutzte die Stiegenaufgänge, kam keuchend oben an. Den leeren Korridor entlang, um eine Biegung – vor dem Ausgang wachte ein Posten. Er schrie irgend etwas und brachte die MP in Anschlag. Winfried machte kehrt und rannte zurück. Er hörte die Schritte des Verfolgers hinter sich.
Sechzehn Uhr acht.
Vor ihm die Treppe. Noch ein halbes Stockwerk ging es hinauf, und dann stand er vor einer Feuerleiter, die an der Decke endete. Er stemmte eine Luke hoch, zwängte sich hindurch, stand auf dem Dach. Jetzt war der Verfolger an der Leiter.
Winfried blickte sich um. Reste von Stahlschienen, ein schweres Schweißgerät neben der Luke. Er rollte es auf den Deckel, gerade rechtzeitig, um den Soldaten aufzuhalten. Dumpfe Schläge kamen von unten, als dieser versuchte, mit dem Gewehrkolben das Hindernis zu beseitigen.
Winfried trat an den Dachrand heran. Der menschenleere Innenhof lag wie eine gleichgültige Kulisse unter der Glaskuppel, die auf den Randgebäuden aufsaß. Winfried stand unmittelbar unter dem Rand der Stahlkonstruktion, die von mächtigen Trägern, keine zwei Meter neben ihm, auf dem Dach abgestützt wurde. Über ihm wölbte sich das verglaste Wabengerüst. Das kristallene Glitzern fing den Himmel ein. In kühnem Bogen strebte es dem Zentrum zu, hing dort, von allen Seiten steigend, zart und durchsichtig, bis zur Tragsäule, die weit, weit hinunter lief bis ins Zentrum der Konversionshalle. Stille gefror eisig, über dem Monument.
Es war sechzehn Uhr zehn.
Da schlug ein Blitz aus dem Mimbar. Die Säule schwankte. Dann erst kam das Donnergrollen aus der Tiefe, und während das tausendfache Echo herumirrte, sackte der Mittelpfeiler scheinbar geräuschlos zusammen.
Die Kuppel gab nach. Metall kreischte, Glas barst, und mit einem Mal war ein himmlischer, süßer Ton in der Luft, als tausend funkelnde, glitzernde Scherben niederschwebten und alles Irdische begruben.
6
Der Wasserkrug löste sich in Atome auf, wurde verwaschen und konturlos. Überhaupt bedurfte es größter Anstrengung, die Gegenstände am Zerfließen zu hindern. Dem Nichts strebten die Dinge zu, und wenn nicht die Barriere aus Angst, Hunger und Schmerz gewesen wäre, hätten sie ihr Ziel erreicht. Die Dinge und die Probleme, die quälenden Zweifel, das Elend und die ganze Welt: Alles wäre vorbei gewesen. Aber da war die Angst vor dem Ende, und da war der Durst.
Der Wasserkrug war Lichtjahre entfernt. Winfried kroch über den feuchten Steinboden, und nach wochenlanger Odyssee, so schien es ihm, erreichte er sein Ziel.
Er trank gierig, verschüttete die Hälfte, und dann tauchte er sein zerschlagenes Gesicht in den Kübel. Das Wasser
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