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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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brannte auf der aufgeschürften Wange, half aber; denn der Schmerz zog sich sogleich zu einem auf der Netzhaut pulsierenden Fleck zusammen, und die Umgebung nahm wieder klare Formen an.
    Diesmal waren sie fast zu weit gegangen. Hunger und Durst hatte er ertragen, auch die tagelangen Verhöre, den Wechsel zwischen scheinbarer Freundlichkeit und Brutalität, sogar die Schläge in den vergangenen Tagen. Aber heute …
    Winfrieds linke Hand war ein Amboß, auf dem glühendes Eisen geschmiedet wurde. Tausend Nadeln stachen in seine Finger, die er als blutigen Brei empfand.
    Sie hatten ihm die Nägel gezogen. Mit Pausen dazwischen natürlich. Und vor jeder neuen Symphonie des Schmerzes hatten sie ihm die gleiche Frage gestellt: Wer?
    Morgen war die rechte Hand an der Reihe.
    Und wenn das nichts half, würden ihnen andere Dinge einfallen. So lange, bis er die Organisation preisgab. Alles über die PLA erzählte, über Ausbau, Finanzierung, Hintermänner. Oder bis er krepierte.
    Dabei könnte er es so entsetzlich einfach haben. Die Alternative, die sich bereits am Entscheidungshorizont abzeichnete, würde alle Qualen beseitigen. Sogar Straffreiheit hatten sie ihm zugesichert, wenn er sich als Kronzeuge der Anklage verdingte. Das bedeutete, alles zu verraten, was ihm wertvoll war. Die Organisation, den Protest gegen das System, seine Kameraden und schließlich Nadjeh-Maria. Für sie hatte er ja gekämpft, und für sie kämpfte er immer noch.
    Oft hatte er nach ihr gefragt während seiner Haft, nachdem er sich auf dem Dach der Moschee widerstandslos ergeben hatte, aber sie hatten geschwiegen. Sie lebte, das stand fest; denn niemand war bei dem Anschlag verletzt worden. Wie es ihr aber ging, ob sie verhört worden war, ob sie von ihm wußte, von seinen Beweggründen, seinem Zustand, seiner Verzweiflung, das blieb ihm verborgen.
    Durch seine Fragen nach ihr hatte er sie vielleicht gefährdet. Verdächtigte man sie der Konspiration? Hatte sie ein ähnliches Schicksal wie er zu ertragen, oder dachte man sogar daran, sie beide gegeneinander auszuspielen?
    Und so irrte Winfried zwischen Ängsten und Zweifeln umher, bald nahe daran, sich selbst aufzugeben, da er die politische Mission nicht erfüllt hatte, bald auch bereit, seinen Peinigern willfährig zu sein, um den Qualen zu entkommen und Maria alles erklären zu dürfen.
    Lange, so erkannte Winfried, würde er nicht mehr standhalten können.
    Er hörte Schritte im Korridor. Die Tür seiner Zelle schwang auf, und zwei Wärter betraten das Verlies. Panik überfiel Winfried.
    Wortlos packten sie ihn und schleppten ihn in den Korridor, dessen verflieste Wände Winfrieds Ängste spiegelten. Durch lange Fluchten ging es, dann zwei Etagen hoch. Das bedeutete, daß sie etwas Neues vorhatten, denn verhört und gefoltert wurde in jenem Geschoß, in dem auch die Zellen lagen.
    Hier oben war es freundlicher. Winfried hatte die zwei Wochen seiner Haft ausschließlich im Gefängnistrakt verbracht. Darum erschien ihm nun die unbekannte Ausstattung, obwohl spartanisch einfach – Teppichboden, indirekte Beleuchtung, zweifarbige Arabesken an den Wänden – wie eine wiederentdeckte wunderbare Welt. Wie eine Rückkehr ins Leben. Er schöpfte Hoffnung.
    Auf dem Marsch aus der Unterwelt war er wieder ein wenig zu Kräften gekommen, und deshalb konnte er, als ihn die Schergen in einem fensterlosen. Zimmer losließen und an der Tür Wache bezogen, auch allein herumgehen und die Einrichtung in Augenschein nehmen. Ein Tisch mit zwei Stühlen an gegenüberliegenden Seiten, so daß, falls jemand dort saß, das Profil den Posten an der Tür zugewandt war.
    Er hatte sich abgewöhnt, seinen Peinigern Fragen zu stellen. Entweder kam keine Antwort, oder sie logen. Darum geduldete er sich auch jetzt, setzte sich und war bemüht, den Schmerz in seiner linken Hand zu ignorieren.
    Irgendwann hörte er Schritte. Als die Tür geöffnet wurde, wandte er den Kopf.
    Zuerst erkannte er sie nicht, da er sie zuvor nie in westlicher Kleidung gesehen hatte. Ihre ungewohnte Erscheinung erhärtete seinen Verdacht: Sie hatten sie auf ihn angesetzt.
    „Maria“, sagte er schließlich, und es war ihm, als hole er die Worte aus einem tiefen Brunnen.
    Sie blieb in der Tür stehen – zu erschrocken war sie über sein Aussehen –, dann lief sie auf ihn zu, berührte hilflos seine Schulter, setzte sich ihm gegenüber.
    Zu spät verbarg er seine linke Hand. Sie wurde blaß, ballte die Hände.
    „Mein Gott … ich wußte nicht

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