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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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werden?“
    „Ich kann den Namen ändern?“
    „Ja, und du bekommst eine Geburtsurkunde und ein Hauptschulzeugnis von Los Angeles und eine Sozialversicherungsnummer. Mit ein bißchen Anstrengung könntest du für achtzehn durchgehen.“
    „Was hast du davon?“ fragte sie zynisch.
    „Ein Mädchen, das sich in Amtsstuben herumtreiben kann, ohne Verdacht zu erregen. Ich brauche immer wieder neue Gesichter.“ Er lachte. „Ich bin ehrlich. Meine Alte würde mich umbringen, wenn ich eine Dreizehnjährige übers Ohr zu hauen versuchte.“
    „Kann ich mit deinen Papieren einen Posten auf dem Mond bekommen?“
     
2
     
    Charlie McDougall war ein Einzelkind mit dickbuschigen Augenbrauen. Mit dreizehn lernte er erstmals, hinter dem Rücken der Eltern mit den Augen zu rollen. Seine ganze Erinnerung an das Leben bestand aus zwei Riesen, die ihm Befehle erteilten, die nach einem fixen Zeitplan ausgeführt werden mußten, wollte er nicht durch direktes Brüllen ins Trommelfell in den Wahnsinn getrieben werden.
    Mama wollte, daß er der größte Violinvirtuose der Welt oder vielleicht ein Tänzer von der Art würde, daß man sogar in Moskau in Begeisterung ausbrechen würde. Papa wünschte, daß er der größte Weltraumtechniker würde, der je gelebt hatte, die Schneide der allerletzten Hoffnung der Menschheit.
    Während jener entscheidenden Jahre, in denen die meisten Kleinkinder den ersten Funken der Individualität entdecken, indem sie mit der Macht des Wörtchens „nein“ spielen, war Charlies Geist gebrochen worden. Er lernte zu gehorchen. Er haßte die Geige, und er haßte das Tanzen, und er haßte den Weltraum, aber schreiende Eltern haßte er noch mehr. Gehorchen war der einzige Friede, den es für ihn gab.
    Wenn er auch ein ausgezeichneter Geiger wurde, neigten seine Saiten doch dazu, ständig zu reißen. Er war unzweifelhaft der beste Tänzer in seiner Klasse, aber er wurde immer ausgeschlossen, weil man es ihm nicht abgewöhnen konnte, in die Umkleidekabine der Mädchen zu spähen.
    Für seinen Vater überlegte er sich teuflische Martern. Zwar brütete er ergeben über seiner Physik, der Chemie, der Mathematik und dem Modellbau, doch weigerte er sich, Science Fiction zu lesen. Am fünfzehnten Geburtstag wollte ihn der Vater mit einer in Leinen gebunden Luxusausgabe von Der Wüstenplanet mit einem Faksimile-Autogramm Frank Herberts verführen.
    „Es wird dir gefallen.“
    „Mensch, Papa, das ist ein großartiges Geschenk. Heute abend habe ich etwas Freizeit, und vielleicht mache ich mich dann darüber her.“ Als der Vater auf ein Bier fortging, rollte er mit den Augen.
    Am Abend schlich der Vater auf Zehenspitzen in sein Zimmer, um nachzusehen, wie weit er mit dem ersten Kapitel des Wüstenplaneten gekommen war. Charlie wußte genau, daß er dies tun würde. Charlie war im achten Kapitel von Roberts Differentialgleichungen versunken.
    „Bist du schon dazu gekommen, dir den Wüstenplanenten anzusehen?“
    „Morgen. Ich habe mich in das Bruchverhalten langer Zylinder versenkt, und ich möchte es nicht überschlafen.“
    Dieser Coup hatte Charlie wochenlang glücklich gemacht. Der Wüstenplanet befand sich noch immer ungeöffnet auf dem Bücherbord.
    Erst mit siebzehn entdeckte er den vollkommenen Zufluchtsort vor seinen Eltern, die Digitalmusik. Elektronische Instrumente erschreckten seine Mutter. Sie hatte einen Doktortitel in Musikologie, konnte aber eine Fourierkompaktreihe nicht von einer Quartettkonzertserie unterscheiden; Widerstand hatte etwas mit der Einrückung zum Militär zu tun, und Chips war etwas zum Knabbern. Was Charlies Vater anging, der Lehrbücher geradezu verschlang, so gehörte für ihn die elektronische Musik zur selben Kategorie wie Purpurgerüche oder bemaltes Kochen.
    Wellen, Wiederholungen, Pulsationen, Rauschen, das Einsetzen einer Geige – das alles läßt sich durch eine Fouriersche Reihe ausdrücken, die Verschmelzung von Sinus- und Kosinuswellen verschiedener Frequenzen und Amplituden. Charlie komponierte durch die Auswahl dieser Zahlen und die Entscheidung, wann sie sich zu ändern hatten. Sein Computer führte die Befehle aus.
    Er schuf seine eigene Computersprache für die Simulation von Instrumenten. Für ihn war es eine Kleinigkeit, ein Unterprogramm für Oboe, Geige oder Harmonika zu schreiben. Er hatte zehn Geigen gespeichert, vier von ihnen hatten denselben Klang wie die besten jemals gebauten Geigen, die anderen sechs ein unvergeßliches Timbre, das eine materielle

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