Der große Ölkrieg
so etwas wie Bedauern auf dem Gesicht. Er gab Denton ein Taschofon. Denton fummelte krampfhaft, um den Notfallknopf zu drücken.
Eine leise, metallische Stimme antwortete, und er gab die Richtung an. Als er das getan hatte, blickte er die Straße hinauf und hinunter und wunderte sich, daß sie nach all dem Lärm immer noch völlig ausgestorben wirkte. Drei helle Straßenlaternen befanden sich an dem Wohnblock. Der Lichtfleck am Fuß der riesigen überfüllten Apartmenthochhäuser, die die Straße an beiden Seiten flankierten, zeichnete Denton, Donna und das verbliebene Bandenmitglied in scharfen Konturen ab.
Die Ereignissse der letzten paar Minuten holten Denton wieder ein, als er das Blut spürte, das seine auf Donnas bewegungslosem Bein ruhende Hand erwärmte. Er sah zu dem Jungen auf, der mit leerem Gesicht einfach nur herumstand.
„Das werdet ihr noch zu bedauern haben, ihr alle“, sagte Denton mit einer, wie er hoffte, stählernen und unnachgiebigen Stimme.
Der Junge zuckte nur mit den Schultern.
Es war ihm unmöglich, jetzt zur Arbeit zu gehen; zu beobachten, wie ein Mann unter einem Generator starb, wissend, daß Donna unter einem ebensolchen lag und ebenfalls starb. Er grübelte darüber nach, ob er seinen Job aufgeben sollte. Irgendwie fühlte er aber, daß der Verzicht auf seine Arbeit am Generator nur ein Selbstbetrug sein würde. Es gab ihm einen seltsamen inneren Frieden, in voller Gesundheit dazusitzen und zu beobachten, wie der Patient unter dem gläsernen Abschöpfer dahinwelkte, wie eine Ameise, die unter einem Brennglas versengt wurde. Er konnte sich dann sagen: Ich bin immer noch stark und gesund, an mir ist es bis jetzt vorübergegangen.
Er entschied sich, nicht zur Arbeit zu gehen. Er sah immer noch Donnas Namen auf seiner Schichtkarte. Sie hatten ihm zugemutet, ihren Generator zu bedienen. Nein. Nein. Er konnte sie nicht besuchen, nicht einmal außerhalb der Dienstzeit. Sie lag im Koma. Er mußte seine Gedanken davon lösen. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, seine Augen brannten vor Erschöpfung. Er würde jetzt ausgehen und etwas essen. Und falls Buxton ihn wegen seines Fehlens feuern würde, brauchte er sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob er kündigen sollte oder nicht.
Er ging durch die Empfangshalle des Hospitals und trat in das grell leuchtende Sonnenlicht hinaus, das von den weißen Gebäuden des Krankenhauskomplexes reflektiert wurde. Eine wachsende innere Spannung drohte seine Selbstbeherrschung zu überwinden. Aber er war Schauspieler, und so sah man es ihm nicht an.
Nicht einmal Alice. Alice stand an den Stufen, die zum Hospital hinaufführten und verteilte Flugblätter. Sie sah ihn sofort, zuerst die verhaßte schwarze Uniform, dann ihren ehemaligen Geliebten, der darin begraben war.
Denton hoffte, ihr aus dem Weg gehen zu können, aber noch bevor er sich ganz umgewandt hatte, rannte sie auf ihn zu, drückte ihm ein Flugblatt in die Hand und umarmte ihn. Peinlich berührt schob er sie zurück, fühlte, daß er seinen inneren Aufruhr bald nicht mehr unter Kontrolle halten konnte.
Das grelle Leuchten schien noch anzuwachsen. Das Brennglas über der Ameise. Alice lachte.
„Du arbeitest immer noch dort. Du mußt deine Arbeit ja wirklich mögen, Ronnie.“
Sein Mund arbeitete, aber er brachte kein Wort heraus. Er schüttelte den Kopf, schließlich schaffte er es: „Ich möchte unbedingt mit dir darüber reden. Äh, deine Meinung interessiert mich sehr. Aber meine Schicht fangt jetzt an.“ Er drehte sich um und eilte zurück in die Kühle des Hospitals, fühlte, wie sie selbstgefällig hinter ihm herlächelte.
Plötzlich war es wichtig für ihn, daß er zur Arbeit ging. Es gab nichts, was er zu bereuen hatte.
Allein im Fahrstuhl, warf er einen Blick auf das zusammengeknüllte Flugblatt. Er las:
… wenn es unvermeidlich ist, daß ein Mensch stirbt, so laßt es ihn in Würde tun. Der Tod war lange Zeit ein anstößiges Produkt unseres Landes, insbesondere seit dem Eingreifen der Vereinigten Staaten in den arabisch-israelischen Konflikt. Aber eine Kugel durch den Kopf tötet schnell; der Tod unter dem Generator ist langwierig, umständlich und quälend. Die landläufige Ansicht, daß die entropischen Generatoren den Tod beschleunigen, ist eindeutig widerlegt, aber was wird getan, um ihn zu erleichtern oder gar zu verhindern? Das Vorhandensein eines Generators belastet die Sterbenden psychsich, bringt sie dazu, den Kampf um ihre Genesung früher
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