Der große Ölkrieg
aufzugeben, als sie es normalerweise tun würden …
Er erinnerte sich an Hurzbaus Worte: Wie können Sie behaupten, daß er mir nichts von meinem Leben wegnimmt, wenn Sie nicht wissen, wie er funktioniert?
„Mister Buxton? Kann ich mal mit Ihnen sprechen?“
Buxton blickte kaum auf. „Nun? Was machen Sie hier?“ verlangte er zu wissen. „Sie sollten bereits vor fünfundzwanzig Minuten in sechs-vier-fünf sein.“
„Ich möchte, daß Sie mir die Grundlagen des entropischen Generators erklären. Ich glaube, es ist meine Pflicht, sie zu kennen.“
„Ach, zum Teufel“, entfuhr es Buxton enttäuscht, „ist das alles? Sehen Sie in der Encyclopedia Britannica nach.“
„Habe ich getan. Lauter Fachausdrücke. Und wir wurden auch sehr gedrängt und nicht besonders klar instruiert, als ich für die Arbeit hier angelernt wurde. Bis heute hatte ich aber auch nie ein besonderes Interesse daran, die Generatorprinzipien genauer zu kennen, jetzt allerdings liegt eine Freundin von mir unter …“
„Unter dem Generator, richtig? Und jetzt wollen Sie es genau wissen. Ich habe das schon viel zu oft gehört. Na schön, Denton, ich werd’s Ihnen erklären. Einmal. Und die Zeit, die sie gefehlt haben und die ich zum Erklären brauche, wird Ihnen abgezogen.“
Denton zuckte die Schultern. Er ließ sich gegenüber Buxton nieder. Er fühlte sich wie ein Junge, der zur Beichte ging.
Buxton seufzte und fing an, mit einem Bleistift zu spielen, während er sagte: „Das Wort Entropie bedeutet wörtlich übersetzt sich in Energie verwandeln. Von unserem begrenzten, bezugsgebundenen Standpunkt her definieren wir Entropie normalerweise als Zunahme von Unordnung in einem gegebenen System. Die Entropie nimmt beständig zu, und die verfügbare Energie verringert sich. So scheint es uns von unserem Standpunkt aus, daß die Zunahme der Entropie immer die Abnahme der Energie bedeutet. Es sieht so aus, als ob uns irgend etwas unwiderruflich verlustig geht.“ Er hielt inne, um seine Gedanken zu ordnen, und kritzelte wie abwesend auf einem Stück Schmierpapier herum.
Denton schlug gereizt und nervös die Fingerkuppen aneinander. „So? Na und? Wenn die Leute sterben, verlieren sie Energie und …“
„Nein, sie verlieren sie nicht in dem Sinne, wie wir es normalerweise verstehen. Und sie sind jetzt still und passen auf, denn ich werde Ihnen das nicht zweimal erklären! Es ist in diesem Monat bereits das vierte Mal, daß ich das abziehen muß … Also, wenn sie älter werden, dann hat es den Anschein, als würde ihr Augenlicht schwächer und schwächer. Die Dinge verdunkeln und verhüllen sich, werden undeutlich und verschwommen. Tatsächlich aber sehen sie mehr als vorher. Wenn ihr Augenlicht sich trübt, verbessert sich ihre Entropiesichtigkeit. In der anderen Dimension sieht jeder Gegenstand so aus, verwischt und gräulich, Form und Wesen werden nämlich mehr dadurch bestimmt und definiert, wo sie nicht sind, als dadurch, wo sie sind.“
„ Welche Dimension?“
Denton war völlig verwirrt.
„Die Dimension, die sich in gleichzeitiger Kongruenz mit der natürlichen Zunahme der Entropie manifestiert. Wir haben die Entropie bisher für etwas gehalten, das die Natur und ihre Ordnung aufhebt, in ihrer Totalität aber erschafft die Entropie eine Ordnung, die so verkehrt, so gegenteilig von unserer ist, daß es den Anschein hat, als existiere sie gar nicht. Dieser Schöpfungsprozeß gestaltet sich in einer Weise, die wir nicht wirklich begreifen können, aber doch soweit verstehen, daß wir ihn benutzen können.“ Er räusperte sich, sichtlich verlegen über sein Abgleiten in Buchgelehrsamkeit.
„Nun ja, auf jeden Fall ist das Universum nichts anderes als eine Ansammlung sich ständig ineinander umwälzender, sich austauschender Dimensionen. Von solchen mit entropischem Schwerpunkt zu solchen von unserem Ordnungstypus und wieder zurück. Wenn Sie alt werden und scheinbar schlechter sehen und hören, nehmen Sie in Wirklichkeit das Überlappen dieser Dimensionen mit der unseren wahr.“
Beide schwiegen für einige Augenblicke. Der wortkarge Jude pochte unruhig mit seinem Bleistift auf den Tisch.
Denton fragte sich, ob sich sein völliges Unverständnis mit seiner Jugend erklären ließ. Er war wohl noch nicht schwach und hinfällig genug.
„Was ich zu erklären versuche“, fuhr Buxton schwerfällig fort, „ist, daß die Entropie eine Progression ist und keine Regression. Wenn Ihnen jemand entgegenkommt, so scheint er,
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