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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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Musikautomaten her nicht verstehen konnte. Paul nickte, klopfte die Asche von seiner Zigarette ab und starrte auf die Nikotinflec ken an Colliers Fingern. Sie erinnerten ihn an Professor Berrick. London. Das Seminar. Und Berrick. Berrick, wie er über sein Pult sprang, absolut lächerlich, und auf die Hand zeigte, die an seinem Handgelenk hing. »Dies ist eine Hand! Dies ist eine menschliche Hand!« Bei Gott, Herr Professor, Sie haben durchaus recht. Knotige blaue Adern standen unter der straffen weißen Haut hervor. »Ist es das, was der Bischof Berkeley gesehen hat? Ich frage Sie, Mr. Odeon, ist dieses Fleisch, das noch kein Pfund wiegt, nicht der Beweis jeder Philosophie?«
    Wenn du mit dieser Hand noch näher kommst werde ich sie beißen …
    »Weißt du, was ich meine?« fragte Collier.
    »Ich hätte sie gebissen.«
    »Waas?«
    »Bloß so ein Gedanke.« Er bedeckte sein Sandwich mit einer Papierserviette und nahm eine Handvoll Kartoffelchips.
    »Schon fertig?« fragte Collier.
    »Ich hatte vor, früh wieder zurückzugehen.«
    »Dann treffe ich dich da wieder, ich will noch einen trinken.«
    »Gut«, sagte Paul, »ich treffe dich da wieder.« Er ließ einen Vierteldollar unter seinen Teller gleiten und drängte sich an dem Musikautomaten vorbei, der jetzt ein altes Seemannslied aus den sechziger Jahren spielte …
     
    »Hittin’ all the waves with a koo-mah-ker-chowby
    Gettin all the raves with a koo-mah-ker-chowby
    Takin’ it in spurts with a koo-mah-ker-chowby
    Golly how it hurts with a koo-mah-ker-chowby«.
     
    Paul ging zweimal an den Wasserkühler, damit er sicher sein konnte, daß jeder, den es vielleicht interessieren würde, bemerkte, daß er nach dem Mittagessen schnell wiedergekommen war. Dann schaukelte er fast eine Stunde lang ruhig in seinem Drehsessel vor und zurück; dabei schaute er aus dem Fenster und besah sich den Frühnachmittags-Nebel.
    »Irgendwelche Briefe?« Miss Cook stand am Türeingang, in einer Hand den Block, in der anderen den Bleistift, und hatte die Arme nach der Weise unbekannter ägyptischer Gottheiten vor der Brust gekreuzt.
    »Zur Post zu geben?«
    »Oder zu diktieren …?«
    »Ach ja. Miss Cook, tatsächlich. Bitte nehmen Sie doch Platz.«
    Miss Cook trug nicht nur ihren blauen Pullover, sie hatte noch eine Verfeinerung hinzugefügt – ein schweres Medaillon an einer dicken Silberkette, das direkt zwischen ihren Brüsten lag. Ihr kaffeefarbenes Haar war straff zurückgekämmt bis auf kleine Kringel, die die zarten Kurven ihrer Ohren nachzeichneten und ihre braunen Augen gleichsam einklammerten, Ihr Rock war eben eng genug – wenn sie sich hinsetzte und die Beine übereinanderschlug, lag der Saum faszinierend vier Zoll oberhalb des Knies.
    Paul glaubte bestimmt, daß niemand auf der Sanso me Street so vollendet geformte Hüften besaß wie Miss Cook, und er hatte oft daran gedacht, sie mit den seinen zu vereinigen. Irgendwann. Irgendwo. Aber nicht jetzt. Angestellte sollen ihre Federhalter nicht in andere Tintenfässer des Betriebs tauchen.
    »Sie … haben einen Brief?« Sie kaute an ihrem Bleistiftende.
    »Sehr geehrter Herr«, fing Paul an.
    »Name, Adresse?«
    »Das gebe ich Ihnen dann noch. Sehr geehrter Herr! Der Texterstab hier bei G., F. & M. hat Ihr Manuskript sorgfältig beurteilt und hat das Empfinden, daß wir Ihnen leider raten müssen, nicht auf seine Veröffentlichung hinzustreben. Komma nach ›G.‹ und Komma nach ›Empfinden‹.«
    »Ich weiß – ›Empfinden Komma daß‹.«
    »Absatz. Als Handelsobjekt bietet Ihr Buch gewisse Probleme. Teil eins ist weitschweifig mit viel zu vielen Personen und erforscht Gegenstände, die allgemein nicht als handelsüblich angesehen werden. Vergewaltigung, Inzest und Sodomie mögen an sich interessant sein, doch nicht für den durchschnittlichen Verbraucher, der auf dem Wettbewerbsmarkt etwas erwartet, das sich wirklich vom Üblichen unterscheidet. Haben Sie das?«
    »Jawohl, ›vom Üblichen unterscheidet‹.«
    »Teil zwei ist etwas abgedroschen. Die Handlung ist durchweg zu konventionell. Ja noch schlimmer, sie hat ständig den Tonfall einer finsteren Unterwürfigkeit – schwerlich ein Klima, das dem Verkauf förderlich ist. Wir meinen, daß Sie die Handlungsführung verbessern könnten, wenn Sie einen Anflug von Humor hereinbrächten. Beispielsweise ›Jesus zwinkerte‹ oder Maria bekannte mit einem leichten Grinsen‹. Gestalten Sie einen glücklicheren Ausgang. Die Amerikaner haben gern Spaß, und … Miss

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