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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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menschliche Verhalten, das moralische Geschick des grünen Heinrich und somit das Allgemeine in diesen scheinbar zu absonderlichen und berufsmäßigen Dingen zu schildern. Wenn oft die Klage erhoben wird, daß die Helden mancher Romane sich eigentlich mit nichts beschäftigen und durch einen andauernden Müßiggang den fleißigen Leser ärgern, so dürfte sich der Verfasser sogar noch beglückwünschen, daß der seinige wenigstens etwas tut, und wenn er auch nur Landschaften verfertigt. Das Handwerk hat einen goldenen Boden und ganz gewiß in einem Romane ebensowohl wie anderswo. Übrigens ist nur zu wünschen, daß der weitere Verlauf die Endabsicht klarmachen und der aufmerksame Leser inzwischen solche Stellen dulden und von besagtem Standpunkte aus ansehen möge.
    Also Heinrich versenkte sich nun ganz in jene geistreiche und symbolische Art. Da er seine Jugendjahre meistens im Freien zugebracht, so bewahrte er in seinem Gedächtnisse, unterstützt von einer lebendigen Vorstellungskraft und seinen alten Studienblättern, eine ziemliche Kenntnis der grünen Natur, und dieser Jugendschatz kam ihm jetzt gut zustatten; denn von ihm zehrte er diese ganzen Jahre. Aber dieser Vorrat blaßte endlich aus, man sah es an Heinrichs Bäumen; je geistreicher und gebildeter diese wurden, desto mehr wurden sie grau oder bräunlich, statt grün; je künstlicher und beziehungsreicher seine Steingruppierungen und Steinchen sich darstellten, seine Stämme und Wurzeln, desto blasser waren sie, ohne Glanz und Tau, und am Ende wurden alle diese Dinge zu bloßen schattenhaften Symbolen, zu gespenstigen Schemen, welche er mit wahrer Behendigkeit regierte und in immer neuen Entwürfen verwandte. Er malte überhaupt nur wenig und machte selten etwas ganz fertig; desto eifriger war er dahinter her, in Schwarz oder Grau große Kartons und Skizzen auszuführen, welche immer einen bestimmten, sehr gelehrten oder poetischen Gedanken enthielten und sehr ehrwürdig aussahen.
    Und merkwürdigerweise waren diese Gegenstände fast immer solche, deren Natur er nicht aus eigener Anschauung kannte, ossianische oder nordisch mythologische Wüsteneien, zwischen deren Felsenmälern und knorrigen Eichenhainen man die Meereslinie am Horizonte sah, düstere Heidebilder mit ungeheuren Wolkenzügen, in welchen ein einsames Hünengrab ragte, oder förmliche Kulturbilder, welche etwa einen deutschen Landstrich im Mittelalter, mit gotischen Städtchen, Brücken, Klöstern, Stadtmauern, Galgen, Gärten, kurz ein ganzes Weichbild aus einem andern Jahrhundert ausbreiteten, endlich sogar hochtragische Szenen aus den letzten Bewegungen der Erdoberfläche, wo dann die rüstige Reißkohle gänzlich in Hypothesen hin und wider fegte.
    Daß Heinrich, dem doch so früh ein guter Sinn für das Wahre und Natürliche aufgegangen war, sich dennoch so schnell und anhaltend diesem künstlichen und absonderlichen Wesen hingeben konnte, davon lag einer der Gründe nahe genug.
    Er hatte von Jugend auf, seit er kaum sein inneres Auge aufgetan, alle Überlieferung und alles Wunder von sich gestoßen und sich einem selbstgemachten, manchmal etwas flachen Rationalismus hingegeben, wie ihn eben ein sich selbst überlassener Knabe einseitig gebären kann.
    In dem zweifelhaften Lichte dieser Aufklärung stand einsam und unvermittelt sein Gott, ein wahrer Diamantberg von einem Wunder, in welchem sich die Zustände und Bedürfnisse Heinrichs abspiegelten und in flüchtigen Regenbogenfarben ausstrahlten. Er glaubte diesen Diamantfels ureigen in seiner Menschenbrust begründet und angeboren, weil unvorbereitet und ungezwungen ein inniges und tiefes Gefühl der Gottheit ihn erfüllte, sobald er nur einen Blick an den Sternenhimmel warf oder Bedürfnis und Verwirrung ihn drängten.
    Er wußte oder bedachte aber nicht, daß das Angeborne eines Gedankens noch kein Beweis für dessen Erfüllung ist, sondern ein bloßes Ergebnis der langen Fortpflanzung in den Geschlechtsfolgen sein kann; wie es denn wirklich sittliche oder unsittliche Eigenschaften gibt, welche sich unbestritten in einzelnen Familien wie in ganzen Stämmen fortpflanzen und oft ganz nah an das Gebiet der Ideen streifen, aber dennoch nicht unaustilgbar sind. Es ist wahrscheinlich, daß die angelsächsische Rasse nahezu lange genug frei gewesen ist, um das Freiheitsgefühl physisch angeboren zu besitzen, ohne es deswegen für alle Zukunft gesichert zu haben, während den Russen die Zusammenfassung und Verherrlichung der Nationalität

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