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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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in einer absoluten und despotischen Person und der daraus entspringende Unterwürfigkeitstrieb ebensowohl angeboren ist, ohne deswegen unsterblich zu sein. Da also beide, der Freiheitssinn sowohl wie das Untertanenbewußtsein, im Menschen angeboren vorkommen, so kann keines sich darauf berufen, um sich als die unbedingte Wahrheit darzustellen; aber beide bestehen in der Tat um so kräftiger, als ihr Dasein eben die Frucht tausendjährigen Wachstumes ist.
    Wo nun der Fall eintritt, daß der Gegenstand eines angeborenen Glaubens und Fühlens, welches durch Jahrtausende sich im Blut überliefert, außer dieser körperlichen Welt sein soll, also gar nicht vorhanden ist, da spielt das erhabenste Trauer-und Lustspiel, wie es nur die ganze Menschheit mit allen, die je gelebt haben und leben, spielen kann und zu dessen Schauen es wirklicher Götter bedürfte, wenn nicht eben diese Menschheit aus der gleichen Gemütstiefe, aus welcher sie die große Tragikomödie dichtete, auch das volle Verständnis zum Selbstgenuß schöpfen könnte.
    Zahllos sind die Verschlingungen und Variationen des uralten Themas und erscheinen da am seltsamsten und merkwürdigsten, wo sie mit Bildung und Sinnigkeit verwebt sind.
    Weil Heinrich auf eine unberechtigte und willkürliche Weise an Gott glaubte, so machte er unter anderm auch allegorische Landschaften und geistreiche, magere Bäume; denn wo der wundertätige Spiritualismus im Blute steckt, da muß er trotz Aufklärung und Protestation irgendwo heraustreten. Der Spiritualismus ist diejenige Arbeitsscheu, welche aus Mangel an Einsicht und Gleichgewicht der Erfahrungen und Überzeugungen hervorgeht und den Fleiß des wirklichen Lebens durch Wundertätigkeit ersetzen, aus Steinen Brot machen will, anstatt zu ackern, zu säen, das Wachstum der Ähren abzuwarten, zu schneiden, dreschen, mahlen und zu backen. Das Herausspinnen einer fingierten, künstlichen, allegorischen Welt aus der Erfindungskraft, mit Umgehung der guten Natur, ist eben nichts anderes als jene Arbeitsscheu; und wenn Romantiker und Allegoristen aller Art den ganzen Tag schreiben, dichten, malen und operieren, so ist dies alles nur Trägheit gegenüber derjenigen Tätigkeit, welche nichts anderes ist als das notwendige und gesetzliche Wachstum der Dinge. Alles Schaffen aus dem Notwendigen und Wirklichen heraus ist Leben und Mühe, die sich, selbst verzehren, wie im Blühen das Vergehen schon herannaht; dies Erblühen ist die wahre Arbeit und der wahre Fleiß; sogar eine simple Rose muß vom Morgen bis zum Abend tapfer dabeisein mit ihrem ganzen Korpus und hat zum Lohne das Welken.
    Dafür ist sie aber eine wahrhaftige Rose gewesen.
    Es war so artig und bequem für Heinrich, daß er eine so lebendige Erfindungsgabe besaß, aus dem Nichts heraus fort und fort schaffen, zusammensetzen, binden und lösen konnte! Wie schön, lieblich und mühelos war diese Tätigkeit, wie wenig ahnte er, daß sie nur ein übertünchtes Grab sei, das eine Welt umschloß, welche nie gewesen ist, nicht ist und nicht sein wird!
    Wie wunderbar dünkte ihm die schöne Gottesgabe des vermeintlichen Ingeniums, und wie süß schmeckte das Wunder dem rationellen, aber dankbaren Gottgläubigen! Er wußte sich nicht recht zu erklären und ging darüber hinweg, daß sein Freund Lys, wenn er nur einige Stunden in der Woche still und aufmerksam gemalt hatte, viel zufriedener und vergnügter schien, obgleich er ein arger Atheist war, als Heinrich, wenn er die ganze Woche komponiert und mit der Kohle gedichtet. Desto bescheiden wohlgefälliger nahm er die Achtung vieler jungen Deutschen hin, welche sein tiefsinniges Bestreben lobten und ihn für einen höchst respektablen Scholaren erklärten.
    Warum Heinrich nicht auf dem kürzesten Wege, durch das gute Beispiel Ferdinands, das ihm so nahe war, zur gesunden Wahrheit zurückkehrte, fand seinen Grund eben in der Verschiedenheit ihrer religiösen Einsichten. Der Holländer hatte ohne besondere Aufregungen abgeschlossen und war ruhig; Heinrich griff ihn beständig an; aber Ferdinand setzte ihm jene Art von Überlegenheit entgegen, welche nicht sowohl aus der Wahrheit als aus der Harmonie der Grundsätze mit dem übrigen Tun und Lassen entspringt, während Heinrich die Unruhe einer einzelnen, verfrühten oder verspäteten Überzeugung äußerte und sonderbarerweise, um dem Spotte, an welchen vielleicht niemand dachte, zuvorzukommen, Scharfsinn und Phantasie aufbot, Andersdenkende durch Witze in die Enge zu treiben. Wenn

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