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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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ausstrahlte und allgemeines Wohlwollen erntete, und indem in ihrer Umgebung jeder einzelne bei ihrem Anblick des Glaubens wurde, daß sie ihm besonders freundlich sei, so begnügte er sich mit diesem Gefühle, und sie sah sich von der Bescheidenheit und Sitte aller umgeben.
    Nur Ferdinand verhärtete sich immer mehr in seiner Leidenschaft. Er hatte sein Benehmen gegen Agnes nur geändert, um ihren Wert und ihre Schönheit erst recht an das Licht zu stellen, zu zeigen, welch ein seltenes Wesen er so gut wie in der Hand hätte, wie dieses ihn aber ganz unberührt lasse, ja, wie er sie ganz und gar nur als ein liebliches Kind betrachte, welches neben der gereiften Schönheit Rosaliens nicht in Rede kommen könne. Er hatte auch mit großer Feinheit seine Rolle gespielt, so daß niemand deren Falschheit bemerkte als Rosalie und Agnes selbst, welche bald nach ihrer ersten Freude die alte Weise Ferdinands erkannte und darüber tödlich erschrak.
    Rosalien war seine veränderte kokette Tracht aufgefallen, und sie fühlte sich dadurch beleidigt; auch hatte sie von Erikson, soviel dieser davon wußte, sein Verhältnis zu Agnes erfahren und war erst willens, durch ein kluges Verfahren dem jungen seltsamen Mädchen, das ihr wohlgefiel, zu seinem Rechte zu verhelfen und Ferdinand in Güte zu ihr hinzulenken. Im Verlauf des Tages sah sie aber ein, daß er kein Glück sei für ein so naives Kind und daß sie mit gutem Gewissen nicht in dessen Geschick eingreifen dürfe, und sie entschloß sich, den selbstsüchtigen Untreuen seinen Weg gehen zu lassen und ihn auf ihre Weise zu bestrafen.
    Als er daher Agnes, nachdem er sie der Obhut Heinrichs übergeben, plötzlich wieder verließ und begann, seine Bewerbungen um Rosalien fortzusetzen, empfing sie ihn mit alter Freundlichkeit, und als er sie auf Schritt und Tritt begleitete, hörte sie ihn holdselig an und tat, als ob sie weder dies noch die mißbilligende Verwunderung der Gesellschaft bemerkte.
    In einem Seitengemache gefiel sich eine gewählte Gesellschaft darin, in den glänzenden Fabelgewändern ruhig eine Partie Whist zu spielen. Rosalie und Ferdinand traten ein, um sich hier umzusehen, und beteiligten sich am Spiele.
    Er benutzte dasselbe, um allerlei Galanterien zu begehen und ungestört eine Weile ihr gegenüberzusitzen. Sie lächelte ihm zu und hielt gut mit ihm zusammen. Als die Partie geendet, ergriff sie die Karten und bat die Spieler und andere, welche in der Nähe waren und welche alle aus vermöglichen Personen bestanden, eine kleine Rede von ihr anzuhören.
    »Ich habe mich«, sagte sie, »bisher arg gegen die Kunst versündigt und, trotzdem daß ich mit Glücksgütern gesegnet bin, soviel wie nichts für sie getan; ich bin um so tiefer beschämt, als ich durch dieses Fest die sinnige, treuliche Lebenslust empfinden gelernt habe, welche in den Künstlern ist und von ihnen ausgeht, und ich möchte einen bessern Anfang machen und wünsche in meiner Dankbarkeit, daß heute in meinem Hause, welches durch die fröhliche Anwesenheit so vieler Künstler geehrt wird, etwas Gutes geschähe und daß ich, was, wie ich glaube, für die rechte Kunstbeförderung ebenso notwendig ist, auch andere veranlasse, etwas Gutes zu tun. Ich sehe unter meinen Gästen so manches junge Bürschchen mit glänzenden Augen, dem es aber, nach seiner schüchternen Haltung zu urteilen, nicht zum besten geht. Wie schön wäre es, wenn wir wenigstens einen oder zwei dieser flüggen Vögel unmittelbar aus dieser Festfreude heraus nach Italien schicken könnten! Da ich aber an niemanden bestimmte Anforderungen machen darf, so will ich hier Bank halten und diejenigen, welche es können, zum Spiele einladen. Was gewonnen wird, legen wir zusammen, ich verdoppele die Summe alsdann, und je nach dem Befunde wählt dann die anwesende Gesellschaft denjenigen aus ihrer Mitte, welchen sie für den Würdigsten und Bedürftigsten hält!«
    Und mit verbindlichem Lächeln sich zu Ferdinand wendend und ihn zum Tische ziehend, sagte sie: »Herr Lys, Sie sind ein reicher Mann! Geben Sie ein gutes Beispiel und fangen Sie an!«
    Ferdinand hatte von der bedeutenden Summe, welche er in seiner Narrheit bei den Juwelieren ausgegeben, noch zehn bis zwölf Louisdors übrig, die er in ein Papier gewickelt in den Busen gesteckt hatte, da in der Eile an seinem ganzen Kostüm nicht eine Tasche angebracht worden. Verlegen zog er das Geld hervor, wie ein Mädchen einen Liebesbrief, und verlor es schnell an die schöne

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