Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]
Anliegen kund. Sie beanspruchte höflich das Recht, von dem reich mit Wasser versehenen Brunnen in seinem Hofe eine bewegliche Leitung nach ihrer Waschküche anzulegen, um für die vorzunehmende große Halbjahrwäsche das Hauptelement zu gewinnen, gemäß dem verbrieften Herkommen. Da Albertus ebenso höflich bat, sich ganz nach Bequemlichkeit einzurichten, eilten alsbald auf ein Zeichen der Cornelia mehrere Waschfrauen herbei mit hölzernen und blechernen Rinnen und Rohren, fügten sie zusammen und stellten einen schwebenden Aquäduktum her, mit welchem sie wieder im Gebüsche verschwanden, aus dem sie hervorgebrochen waren. Auch die Cornelia schlüpfte hindurch, nachdem sie sich verneigt hatte, und Herr Zwiehan, stand einsam an dem Gerinnsel seines schönen Brunnenwassers und wünschte, mit hinübergehen zu können. Am andern Tage jedoch erschienen abermals die Wäscherinnen, brachen die Wasserleitung ab und machten einer großen schweren Frau Platz, welche sich jetzt durch das Pförtchen arbeitete.
Sie gewährte eine tröstliche Vorstellung davon, wie stattlich dünne Fräuleins mit der Zeit bei guter Nahrung werden können; denn sie gab sich als die Frau Mutter der bewußten Cornelia zu erkennen, welche sich nicht getraue, schon wieder den Herrn Nachbarn mit einer Unbequemlichkeit zu belästigen. Es sei nämlich zweifelhaft, ob die Sonne den ganzen Tag scheine, und darum wünschenswert, die Wäsche in einemmal zu trocknen, was hinwieder ermöglicht würde durch die Erlaubnis, einen Teil derselben in dem Zwiehanschen Garten und Hof aufzuhängen. Es sei dies in früheren Jahren auch etwa geschehen, obwohl nicht zu einer Servitut erwachsen wie das Wasserleitungsrecht, und also komme sie selbst, pflichtschuldig um die freundliche Vergünstigung anzufragen. Mit großem Vergnügen entsprach Albertus Zwiehan sofort dem Ansuchen, worauf die Frau sich dankend zurückzog und dafür das Fräulein an der Spitze einiger Waschkörbe aus den Jasminbüschen hervortrat, sie selbst das auf eine Kurbel gewickelte Trockenseil tragend. Dieses an den vorhandenen Pfosten, Haken und Baumästen anzubinden, reichte jedoch ihre Körperlänge nicht überall aus, sosehr sie sich auch auf die Zehen stellte, und so ergab es sich von selbst, daß Albertus aushalf und das Seil im Zickzack herumführte und festmachte, Cornelia aber dasselbe hinter ihm hertrug und abhaspelte. Sie bewegte sich dabei mit viel Anmut und Lieblichkeit, und der junge Mann wurde darüber so eifrig und warm, daß er hie und da eine Levkoje oder Nelke zertrat. Als es nun ans Aufhängen der Wäsche ging, blieb er in unmännlicher Weise im Garten und war wiederum behilflich, die Körbe zu schleppen und andere Handreichungen zu tun. Das Fräulein bemerkte freundlich, daß sie ihre eigene und beste Leibgewandung herübergebracht und das ältere Zeug jenseits gelassen habe, um auf dem fremden Gebiete nicht allzu schofel zu erscheinen.
Der ganze Raum füllte sich also mit ihren Hemden, Strümpfen, Busentüchern und Nachthäubchen, und da eine frische Brise aufging, begann das blütenweiße Zeug so mutwillig zu flattern, daß alle Hände zu tun bekamen, das luftige Segelwerk festzuhalten.
In großer Aufregung zog er sich nach getaner Arbeit in seine Zimmer zurück, von deren Fenstern aus er unablässig den inhaltreichen Garten bewachte. Niemand war jetzt dort und alles still; nur die wie von Luftdämonen beseelten Weiberhülsen säuselten sachte hin und her, bis ein Windstoß sie plötzlich emporwirbelte, die langen weißen Strümpfe gleich Geisterbeinen um sich stießen und schon ein losgerissenes Häubchen wie ein kleiner Luftballon über das Dach wegstieg. Da eilte Albertus Zwiehan besorgt wieder hinunter, um zu retten, was ihm bereits näher zu liegen dünkte als die eigene Haut. Er schlug sich tapfer mit dem Winde herum; allein die Strümpfe schlugen ihm an die Ohren, die Hemden flatterten um seinen Kopf und verhüllten ihm die Augen, und er wurde mit der wilden Leinwand nicht fertig, bis die lachenden Frauen herbeikamen und die Wäsche zusammenrafften.
Einige Tage später wurde er von den Nachbarinnen förmlich zum Kaffee eingeladen, um den Dank für seine Gefälligkeit zu empfangen. Zum ersten Mal betrat er den jenseitigen Garten und fand den Tisch in einem offenen Sälchen gedeckt, das hinter der Jasminwand verborgen war. Die alte und die junge Dame beflissen sich auf das freundlichste um ihn, und nachher mußte er noch in ihre Wohnung hinaufsteigen und sich mit einem
Weitere Kostenlose Bücher