Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]
verband.
Es handelt sich, soviel entwirrbar ist, um den Bastardsohn eines Zwiehans, der lange Jahre in Asien zugebracht hatte und dort verstorben war. Die holländische Person, mit welcher er den Sohn gezeugt, besaß aber von einem verschollenen Menschen noch einen andern unehelichen Knaben, namens Hieronymus, den sie mehr liebte als den jungen Zwiehan, und aus Liebe zu ihr und von ihr überredet, adoptierte er diesen andern Knaben in rechtlicher Form an Kindesstatt, während er hinwieder verabsäumte, das Weib nachträglich zu ehelichen und sein eigenes Kind zu Ehren zu ziehen. Der adoptierte Bastard aber entfernte sich, als er größer geworden, aus dem Hause und verscholl gleich seinem eigenen natürlichen Vater spurlos, und als endlich der alte Zwiehan und seine Beihälterin bald nacheinander das Zeitliche segneten, befand sich der erblos gebliebene Sohn Albertus allein bei dem herrenlosen Hause und Gute und zögerte nicht, sich auf geschickte Weise an Stelle des allein erbberechtigten Adoptivsohnes zu setzen, von dem erworbenen Vermögen des Alten zusammenzuraffen, was er konnte, und die asiatische Kolonie rasch zu verlassen, um die alte Heimat seines Vaters aufzusuchen.
Da er einst geträumt hatte, sein Halbbruder sei im Meere untergegangen, und fest an seine Träume glaubte, so tat er alles dies nicht gerade mit bösem Gewissen, obgleich er schlau genug war, in der alten Vaterstadt, die ihn noch nie gesehen, sein eigenes Dasein zu verschweigen und sich auf Grund der mitgebrachten Papiere für den andern auszugeben. Er kaufte sich ein geräumiges Haus mit einem stillen freundlichen Garten, in welchem er gar anständig auf und nieder spazierte. Hier wurde er freilich von den Nachbaren neugierig beobachtet, aber ohne daß er es bemerkte, und erst nachdem er sich ordentlich eingerichtet hatte, begann die Nachbarschaft sich zu beleben, wie wenn auf einer Insel für die dorthin verschlagenen Reisenden allmählich die Eingeborenen zum Vorschein kommen. Durch Geschäftsleute wurde es ruchbar, daß der neue Ankömmling ansehnliche Bezüge und Geldanlagen mache, welche auf geregelten Verhältnissen beruhen. So wurde er denn auf der Straße hie und da schon zutraulich gegrüßt, und jenseits der Gasse, welche er bewohnte, belebte sich mehr als ein Fenster, wenn er sich an dem seinigen blicken ließ, um nach dem Wetter zu sehen. In einem schmalen Erker saß den ganzen Tag, mit dem Rücken gegen die Straße gewendet, ein junges Frauenzimmer am Spinnrad, ohne umzuschauen, und er konnte ihr Gesicht nie entdecken. So vergaffte er sich, da er schon seines leidenschaftlichen Ursprungs wegen verliebter Natur war, einstweilen in den zierlichen Rücken der Spinnerin und in die anmutig geneigte Haltung ihres Kopfes. Als er aber eines Tages, hierüber nachdenkend, auf der anderen Seite seines Hauses im Garten weilte, hörte er unversehens von einer weiblichen Stimme den Namen Cornelia rufen, auf welchen im Nachbargarten eine andere Stimme antwortete.
Dies wiederholte sich mehrmals während der nächsten Tage, so daß Albertus Zwiehan den Rücken der Spinnerin vergaß und sich in den schönen Namen der unsichtbaren Cornelia verliebte. Denn sie war hinter einer Wand von Jasminbüschen verborgen. Wie erstaunte er aber, als diese plötzlich sich auseinanderbogen und eine weibliche Gestalt auf das Zwiehansche Gebiet herübertrat, durch ein bisher unbemerktes Gittertürchen. Das Haus zu welchem der jenseitige Garten gehörte, lag nämlich nicht an der gleichen Straße, sondern auf einer anderen Seite des ganzen Straßenviertels, und es haftete an beiden Häusern von alters her das Recht des Durchganges durch Gärten, Höfe und Hausflüre, zu gewissen Zwecken und Tageszeiten.
Es war ein nicht eben schönes, aber mit lachenden Augen begabtes längliches Wesen, das vor dem Überraschten stand und ihn von der bestehenden Servitut unterrichtete, als die Nachbarin seine Unwissenheit bemerkte. Auch er müsse einen Schlüssel zu dem Pförtchen besitzen, sagte sie ihm; er holte einen Kasten mit allerlei alten Schlüsseln herbei und fand mit ihrer Hilfe richtig denjenigen heraus, welcher in das Schloß paßte. Wie sie so mit spitzen weißen Fingern sich bemühte, betrachtete er mit Wohlgefallen den mägerlichen Wuchs, der durch sehr knappes Gewand fast einen Eindruck von geschmeidiger Fülle machte. Jetzt aber, indem sie ihn mit seinem Namen grüßte und ihm den ihrigen nannte, der auf jenes wohlklingende Cornelia hinauslief, gab sie ihr
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