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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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der Erinnerung jedoch ein lieblich heller Teil des Ganzen blieb.
    Der Festzug zerfiel in drei Hauptzüge, von denen der erste die nürnbergische Bürger-, Kunst-und Gewerbswelt, der zweite den Kaiser mit den Fürsten, Reichsrittern und Kriegsmännern und der dritte einen alten Mummenschanz umfaßte, wie er von der bedeutenden Reichsstadt dem gekrönten Gast vorgeführt wurde. In diesem letzten Teile, welcher recht eigentlich ein Traum im Traume genannt werden konnte, hatten wir dreie unsern Standort gewählt, um als verdoppelte Phantasiegebilde im Schattenbilde der Vergangenheit mitzuziehen.
    Der Ernst und die feierliche Pracht, womit die Unternehmung von vornherein angelegt war, hatten die Teilnahme des weiblichen Geschlechtes nicht ausgeschlossen; Frauen, Töchter, Bräute der Künstler und deren Freundinnen aus den andern Ständen bereiteten demnach ihre festliche Umkleidung vor, und es gehörte nicht zu den geringsten Vorfreuden der Männer, an der Hand der alten Trachtenbücher das wichtige Geschäft zu leiten und darüber zu wachen, daß die Sammet-und Goldstoffe, die schweren Brokate und die duftigen Flore für die schlanken Gestalten richtig zugeschnitten und zusammengesetzt, die Haare in gehöriger Weise geflochten oder ausgebreitet wurden, die Federhüte, die Barette, Hauben und Häubchen aller Art Form und Stil bekamen und gut saßen. Zu diesen Beglückten zählten sich auch meine Freunde Erikson und Lys, von denen jeder in seiner Weise auf einem Liebeswege ging.
    In die jährliche Verlosung, welche mit der Gemäldeausstellung verbunden war, hatte Erikson eines seiner kleinen Bilder verkauft, und dasselbe war von der Witwe eines großen Bierbrauers gewonnen worden, die nicht gerade im Rufe einer Kunstfreundin stand, sondern mehr in Erfüllung einer Anstandspflicht reicher Leute sich an diesen Dingen beteiligte. Da es öfter vorkam, daß so gewonnene Gegenstände an zudringliche Händler verschleudert wurden, so suchten die Künstler ihr Werk in solchem Falle wiederzuerwerben, um den Gewinn selbst zu machen. Auch Erikson hatte bei gedachter Gelegenheit den Versuch gewagt und gehofft, das Bild um ermäßigten Preis an sich zu bringen, um es abermals zu verkaufen und der Mühsal der Erfindung und Ausführung eines neuen Werkleins für einmal enthoben zu sein. Denn er war bescheiden und hielt nicht dafür, daß das Bestehen der Welt von der Unerschöpflichkeit seines Fleißes abhänge. Er suchte also die Wohnung der Gewinnerin unverweilt auf und stand bald auf dem Vorsaale des Witwensitzes, dessen Stattlichkeit das Gerücht von dem Reichtume des verstorbenen Brauers zu bestätigen schien. Eine alte Dienerin, welcher er sein Anliegen mitteilen mußte, brachte ihm ohne Zögern den Bericht, daß die Herrin das Bild mit Vergnügen abtrete, daß er aber ein andermal wieder vorsprechen möge. Weit entfernt, über solche Willfährigkeit und Geringschätzung empfindlich zu sein, ging Erikson ein zweites und drittes Mal hin, und erst jetzt wurde er etwas betroffen und erbost, als die Dienerin endlich kundtat, die bequeme Dame verkaufe das Bild um ein Vierteil des angegebenen Wertes und bestimme das Geld für die Armen; der Herr Maler möge, um nicht fernere Mühe zu haben, es am andern Tage bestimmt abholen und das Geld mitbringen. Er tröstete sich indessen mit der Aussicht, nun jedenfalls ein Vierteljahr nicht malen zu müssen, und das Wetter ausspähend, ob es gute Jagdtage verspreche, machte er sich zum vierten Male auf den Weg.
    Die unvermeidliche Alte führte ihn in ihr kleines Dienstgemach und ließ ihn da stehen, um das Kunstwerkchen herbeizuholen. Dieses war aber nirgends zu finden; immer mehr Bedienstete, Köchin, Kammermädchen, Hausknecht und Kutscher rannten umher und suchten in Küche, Keller, Kammern und Remisen. Endlich rief das Geräusch die Witwe herbei, und als sie, die, nach dem kleinen Bildchen urteilend, gewähnt hatte, einen ebenso kleinen und dürftigen Urheber zu finden, nun den mächtigen Erikson dastehen sah, dessen Goldhaar glänzend auf die breiten Schultern fiel, geriet sie in die größte Verlegenheit, zumal er, aus einem ruhigen Lächeln erwachend, sie mit festem offenem Blicke betrachtete wie eine Erscheinung. Sie war aber auch des längsten Anschauens wert; von der Rosenfarbe der Gesundheit und Lebensfrische überhaucht, kaum vierundzwanzig Sommer alt, vom reinsten Ebenmaß an Gestalt und Gliedern, mit braunem Seidenhaar und braunen lachenden Augen, konnte ihr Wesen kurz und gut als

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