Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
Vom Netzwerk:
sittlicher Würde. Ihre Frauen und Töchter rauschten wie große lebende Blumen einher, einige mit goldenen Netzen und Häubchen um die schöngezöpften Haare, andere mit federwallenden Hüten, diese den Hals mit feinstem Linnen umschlossen, jene die entblößten Schultern mit köstlichem Rauchwerk eingerahmt. Inmitten dieser glänzenden Reihen gingen einige venezianische Herren und Maler, als Gäste gedacht, poetisch in ihre welschen, purpurnen oder schwarzen Mäntel gehüllt. Diese Gestalten lenkten die Phantasie auf die Lagunenstadt und von da in die Weite an alle Küsten des Mittelmeeres.
    Eine zweite breite Reihe von Trompetern und Paukern, überragt vom Doppelaar, führte endlich schmetternd das Reich heran, mit allem, was es an Tapferkeit und Glanz um den Kaiser zu scharen hatte. Ein Haufen Landsknechte mit seinem robusten Hauptmann gab sogleich ein lebendiges Bild jener Kriegszeit und ihres unruhigen, wilden und sanglustigen Volkstumes. Durch den Wald von achtzehn Schuh langen Spießen, unter dem sie einhermarschierten, sah der innere Blick Berg und Tal, Wälder und Felder, Burgen und Vesten, deutsches und welsches Land sich ausbreiten, nachdem die mauerumschlossene, reichgebaute Stadt sich vorhin kundgetan. Die Schar der Kriegsgesellen, aus dem jungen Volke und einigen älteren Schnapphähnen bestehend, hatte sich so eifrig in Tracht, Sitten und Lieder des geschichtlichen Vorbildes eingelebt, daß von diesem Feste her sich eine eigene Landsknechtkultur in Wort und Bild auftat und die bloßen sonnverbrannten Nacken der Schwartenhälse, ihre zerschnittenen Bauschkleider und kurzen Schwerter noch langehin überall zu sehen waren.
    Nun wurde es aber wieder feierlicher und stiller. Vier Edelknaben mit den Wappenschilden von Burgund, Holland, Flandern und Österreich, dann vier Ritter mit den Bannern von Steier, Tirol, Habsburg und mit dem kaiserlichen Paniere traten auf, dann ein Schwertträger und zwei Herolde. Nach der Flamberge tragenden Leibwache des Kaisers kam eine Schar Edelknaben in kurzen goldstoffenen Wämsern, goldene Pokale tragend, dem kaiserlichen Mundschenk vorauf , und ebenso gingen Jäger und Falkoniere dem Oberjägermeister vorauf. Fackelträger mit vergittertem Gesicht umgaben den Kaiser. Rock und Hermelinmantel von schwarzdurchwirktem Goldstoff, einen goldenen Brustharnisch tragend, auf dem Barett den königlichen Reif, ging Maximilian heroisch daher, das Angesicht auf das Heldenmütige, Ritterhafte und Sinnreiche gerichtet. So konnte man selbst von dem lebenden Konterfei sagen. Denn es hatte sich für das Bild des Kaisers ein junger Maler von den fernsten Grenzen des ehemaligen Reiches gefunden, der in Haltung und Angesicht ohne alle Zutat wie dazu geschaffen war.
    Unmittelbar hinter dem Kaiser ging sein lustiger Rat Kunz von der Rosen, aber nicht gleich einem Narren, sondern wie ein kluger und wehrbarer Held launiger Weisheit. Er war ganz in rosenroten Samt gekleidet, knapp am Leibe, doch mit weiten ausgezackten Oberärmeln. Auf dem Kopfe trug er ein azurblaues Hütchen mit einem Kranze von je einer Rose und einer goldenen Schelle; an der Hüfte indessen hing an rosenfarbenem Gehänge ein breites, langes Schlachtschwert von gutem Stahl. Wie sein Held und Kaiser war er nicht sowohl ein Dichter als selbst ein Gedicht.
    Nun schritt in Stahl gehüllt und waffenklirrend einher, was von der Lüneburger Heide bis zum alten Rom, von den Pyrenäen bis zur türkischen Donau gefochten und geblutet hatte, die glänzende Führerschaft des Reiches der Erbschenk und Statthalter Siegmund von Dietrichstein und der zum zeitweiligen Feldherrn gediehene Jurist Ulrich von Schellenberg, Georg von Frundsberg, Erich von Braunschweig, Franz von Sickingen, das Freundespaar Roggendorf und Salm, Andreas von Sonnenburg, Rudolf von Anhalt und die übrigen, jeder mit seinen Waffen-und Trophäenträgern, überschattet von den Fahnen mit den Namen der Schlachten und Belagerungen, begleitet von Schilden mit kühnen oder edelsinnigen Wahlsprüchen. In diesem Aufzuge sah man vorzugsweise schöne und kräftige Männergestalten, da hier meistens solche ihren Platz genommen, die als die Schmiede ihres Glückes sich auf die Höhe des Lebens und Gelingens durchgekämpft hatten und in jeder Hinsicht geeignet waren, das Tüchtigste vorzustellen. Ich hatte mich an meinem noch verborgenen Platze etwas vorgedrängt, um besser sehen zu können, was uns voranzog, und verschlang alles mit den Augen wie einer, der das Zweite Gesicht hat.

Weitere Kostenlose Bücher