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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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gleich einem Schatten umher, der durch zwei verschiedene Lichtquellen doppelte Umrisse und einen verfließenden Kern erhält.
    Mit dieser Beschaffenheit trat ich nun abermals in den unfreien Zustand des Borgens über, als der letzte Taler wirklich ausgegeben war. Der Anfang fiel mir diesmal, als eine untröstliche Wiederholung, schwerer, der Fortgang aber machte sich wie in dumpfem Traume von selbst, bis die Zeit wieder erfüllt war und das Erwachen folgte mit der Not des Bezahlens und des Weiterlebens.
    Erst jetzt entschloß ich mich, die Zuflucht nochmals zur Mutter zu nehmen, wie es ja ein Kennzeichen des Menschengeschlechtes ist, daß das Junge, solang es immer angeht, zum Alten zurückkehrt. Jugend, welche sich reiner Absichten und eines guten Willens bewußt ist, weist mit ihrem allgemeinen Weltvertrauen auf ihre lange Zukunft hin, freilich vergessend, daß sie dieselbe leichtlich, ja wahrscheinlich allein erlebt und schließlich die Bitterkeit des Volkswortes nach rückwärts und vorwärts kosten muß, daß eine Mutter eher sieben Kinder erhält als sieben Kinder die Mutter.
    Die neuen Ersparnisse, die sie ohne Zweifel gemacht hatte, konnten nicht soviel betragen, als ich jetzt bedurfte; ich wollte daher gründlich zu Werke gehen und schlug ihr in einem Briefe, worin ich mich noch leichter stellte, als mir zu Mut war, die Erhebung eines Anleihens auf das Haus vor. Das sei, meinte ich, eine unverfängliche ruhige Sache, welche nach gefundenem Glücksanfang durch meinen Fleiß ebenso ruhig wieder ausgeglichen werde und höchstens einige Zinsen koste.
    Die Mutter erschrak heftig über diesen Brief, an dessen Statt sie mich selber jeden Tag sehnlich erwartete, wenn auch nicht mit rühmlichem Glücke, so doch in zufriedenem Zustande. Sie sah alles wieder in unbekannte Ferne gerückt. Ersparnisse besaß sie diesmal nur wenige, da sie an unsern Mietern Verluste erlitten; denn der gute Eichmeister war seinen beruflichen Trinkproben erlegen und mit Hinterlassung von Schulden gestorben, und der unzufriedene Beamte hatte in einem Anfalle von Entrüstung über fortwährendes Hintansetzen eine kleine Sportelnkasse geleert und war nach Amerika gegangen, um dort gerechtere Vorgesetzte zu suchen. Dabei hatte er auch meine Mutter mit einem Jahreszinse im Stiche gelassen, so daß mein Unheil sich mit diesen Unglücksfällen in unheimlicher Weise vermengte. Dazu kam die Vereinsamung durch den Tod der Nahestehenden: nach dem Oheim war auch Annas Vater, der Schulmeister, sowie der und jener gute alte Freund gestorben, und noch andere waren aus der Welt gegangen, wie denn zuweilen, wenn die Jahre vorrücken, viele auf einmal gehen, die ihre Zeit erreicht haben.
    Sie hätte zwar alle diese Toten nicht befragt, was zu tun sei; allein die Einsamkeit vergrößerte ihren Schrecken, und um nur wieder in Bewegung zu kommen und das Lebendige zu spüren, erfüllte sie mein Begehren. Sie suchte einen Geschäftsmann auf, der die verlangte Summe mit allen möglichen Umständen und Formen beschaffte, wobei sie als schüchterne Gesuchstellerin dazustehen hatte. Dann besorgte sie auf erhaltenen Rat mit sauren Gängen noch eine Handelsanweisung, die sie an mich abzusenden endlich froh war. In ihrem Briefe beschränkte sie sich auf eine Beschreibung dieser Mühen, anstatt sich in Ermahnungen und Klagen zu ergehen.
    Nun hatte ich, als ich meinen Brief geschrieben, im letzten Augenblicke und in der Furcht, zuviel zu verlangen, die Höhe der berechneten Summe fast auf die Hälfte heruntergesetzt und gedacht, es müsse auch so gehen. Der Betrag des Wechsels reichte daher kaum zur Bezahlung der Schulden aus, und auch so war ich genötigt, wenn ich nur auf kurze Frist etwas übrigbehalten wollte, für freundschaftlich Geliehenes da oder dort, wo kein Bedürfnis drängte, um Stundung zu bitten. An dem zögernden Gewähren merkte ich, daß die Bitte unerwartet kam, und so zwang mich die Beschämung, sie zurückzuziehen. Nur einer, der mein Erröten sah, wies das Geld zurück, obschon er in Bälde abzureisen willens war. Ich solle es ihm wiedergeben, wenn es mir leichter falle, er könne es jetzt entbehren und werde schon gelegentlich von sich hören lassen.
    Durch diese Nachsicht sah ich mich auf eine Reihe von Wochen noch geborgen. Aber der ganze Vorgang erweckte mir ein ernsteres Nachdenken über meine Lage und über mich selbst nach der inneren Seite hin. Plötzlich kaufte ich einige Bücher Schreibpapier und begann, um mir mein Werden und Wesen einmal

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