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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Manche Künstler ließen sich von ihm bekleiden, und er mochte dadurch, indem er an Zahlungsstatt zuweilen eine Malerei zu übernehmen oder zu pfänden genötigt war, zu einem kleinen Galeriebesitzer geworden sein, der schon mehr als einen guten Schnitt gemacht hatte, wenn er entweder die Arbeiten bedrängter Kunstjünger erworben, die nachher zu Ruf gekommen, oder wenn er, ohne es zu wissen, von andern Unkundigen ein wertvolles Stück erwischte. Vor demjenigen Teil seines Geschäftslokales, worin die Bilder aufgestellt waren, sah ich einen Augenblick durch das Fenster, und da der Raum wenigstens von reinlicher Ordnung und Sorgfalt zu zeugen schien, so lockte mich das, einzutreten und mein Angebot abermals vorzubringen. Der Handelsmann zeigte sich gleich bereitwillig, die Sachen anzusehen, betrachtete sie mit lüsterner Neugierde, ließ sich alles Wie, Was und Wo erklären und fragte zuletzt, ob ich die Dinger wirklich selbst gemacht habe und ob sie gut gemalt seien? Das war gar nicht so naiv, wie es aussah; denn er blickte mich in der Zeit genau an, um aus meiner Miene den Grad eines berechtigten oder eiteln Selbstvertrauens zu lesen, wie er einen andern, der ihm einen goldenen Ring antrug, zunächst fragte, ob derselbe auch echt sei; im letztern Fall erkannte er das Gold schon vorher und wollte durch die Frage erfahren, mit welchem Menschen er zu tun habe; in meinem Falle dagegen wußte er den Menschen im voraus zu beurteilen, durch dessen Verhalten aber wollte er erfahren, wie er das Handelsobjekt anzufassen habe.
    Als ich zögernd erwiderte, ich hätte die Bilder so gut gemacht, als es nur möglich gewesen, ohne daß es mir anstehe, sie zu loben; auch werden sie wohl nicht sehr vortrefflich sein, sonst würde ich nicht damit hier stehen; immerhin aber seien sie des bescheidenen Preises wert, den ich verlange – schien ihm das nicht übel zu gefallen, und er wurde freundlich und gesprächig, indem er dazwischen die Bilder ab und zu ebenso unentschlossen als wohlwollend betrachtete. Ich begann die gute Hoffnung zu schöpfen, daß sich jetzt etwas ereignen werde; allein es erfolgte nichts weiter als das plötzliche Anerbieten, die Bilder in Kommission zu übernehmen, in seinem Lokale auszustellen und so vorteilhaft als tunlich zu verkaufen. Hiebei blieb es denn auch; denn zu etwas Weiterm hätte sich der Mann nicht verstanden, und sein Vorschlag war nicht unbillig, sein Verhalten aber menschlich, da es mir Hoffnung ließ und ich mit leichterm Herzen meine Wohnung aufsuchen konnte, als wenn ich die Bilder wieder hätte hintragen müssen.
    So blieb mir für einmal die Welt des Erwerbes wie durch eine Mauer verschlossen, an welcher ich keine Türe fand, nicht ein Schlupfloch, durch welches eine Katze gekrochen wäre. Ich hatte freilich auf den drei Gängen gewiß nicht hundert Worte verloren, allein auch ein hundertundeintes hätte nicht geholfen; wäre Erikson noch dagewesen, so würde er mir die Bilder mit wenig Worten verkauft haben, indem er hinging und sagte: »Was fällt Euch ein? Ihr müßt sie nehmen!« Oder Ferdinand Lys hätte sie mich ausstellen

lassen und mit seinem Ansehen als reicher Mann einem andern Reichen empfohlen, und ich wäre wie hundert andere auf einen leidlich breiten Weg geraten und auf ihm geblieben. Aber beide Freunde hatten sich von der Kunst selbst abgewendet und lebten, wo ich nicht wußte, gleich Abgeschiedenen, die dem Zurückgebliebenen fernher zuzuwinken schienen: Geh du dort auch weg!
    Sonst besaß ich, was man gute Bekanntschaften nennt, in der Künstlerwelt nicht mehr, weil ich fast ausschließlich mit Studierenden und angehenden Gelehrten umging und als ein geselliger Hospitant ihre Spruch-und Lebensarten teilte. In demselben Maße büßte ich erst den äußern, dann auch halbwegs den innern Habitus eines Kunstjüngers ein. Während Wahl und Pflicht mich an das körperliche Schaffen banden, gewöhnte sich der Geist an das Leben in seiner eigenen Bewegung; das langsame, kaum mehr von Hoffnung beseelte Hervorbringen eines einzigen Gedankens durch die Hände schien voll unnützer Mühsal zu sein, wenn in der gleichen Zeit tausend Vorstellungen auf den Flügeln des unsichtbaren Wortes vorüberzogen. Diese verkehrte Empfindung beschlich mich um so unbewachter, als meine Teilnahme an wissenschaftlichen Dingen sich auf Hören und Lesen, auf bloßes Empfangen und Genießen beschränkte und ich die Arbeit wissenschaftlichen Hervorbringens nicht aus Erfahrung kannte. So drehte ich mich

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