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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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mit den Leutchen in das bürgerlich bescheidene Gasthaus, in welchem sie Quartier genommen, und teilte mit ihnen das Mittagsmahl. Die langentbehrte Gewohnheit, in der Mundart des Heimatlandes und von altvertrauten Dingen zu reden, ließ mich die Gegenwart um so leichter vergessen, als eine Flasche guten Rheinweines ihren Duft verbreitete. Das ruhig freundliche Benehmen des Paares, das durch keinerlei lästige Zärtlichkeiten seinen neuen Ehestand verriet, vermehrte das Behagen, welches mich wie ein flüchtiger Sonnenblick überkam aus schwül bewegtem Wolkenhimmel.
    Als nun der Landsmann eine zweite Flasche bestellte und die übrigen Gäste die Wirtstafel verlassen hatten, zog sich die junge Frau in ihr Zimmer zurück, um sich ein wenig auszuruhen, wie sie sagte. Wir andern wurden um so gesprächiger, bis der gute Nachbar sich selbst unterbrach und, nach wohlgemeinten Worten suchend, begann: »Ich will es Ihnen nicht verhehlen, Herr Lee, daß Ihre Mutter sehr Ihrer Rückkunft bedarf, und ich würde Ihnen raten, so bald als möglich heimzukommen; denn während die brave Frau den tiefsten Kummer und die Sehnsucht nach Ihnen zu verbergen sucht, sehen wir wohl, wie sie sich darin aufzehrt und Tag und Nacht nichts anderes denkt. Ich weiß nicht, ob ich mich irre, aber es will mir fast scheinen, es stehe nicht zum besten mit Ihnen, und erachte ich, daß Sie in dem Stadium sind, wo die Herren Künstler allerlei durchmachen müssen, um endlich mit stattlichem Ansehen aus dem Kampfe hervorzugehen. Allein es hat alles sein Maß! Sie sollten eine Unterbrechung machen und einmal die Heimat wiedersehen, auch wenn Sie nicht als ein Sieger kommen. Die Dinge lassen sich da öfter von einer neuen Seite betrachten und anpacken.«
    Er ergriff sein Glas und stieß mit mir auf das Wohl von Heimat und Mutter an, besann sich ein weniges und fuhr fort: »Vorlaute und unverständige Weibsen und auch ebensolche Männer in unserer Stadt, wo es ruchbar geworden, daß Ihre Mutter gewisse Summen an Sie gewendet und ihr eigenes Auskommen bedeutend dadurch geschmälert hat, ließen es sich einfallen, dieselbe hinter ihrem Rücken hart zu tadeln und auch ungefragt ihr ins Gesicht zu sagen, daß sie unrecht getan und sowohl ihrem Sohne schlecht gedient als sich selbst überhoben habe. Jeder, der die Frau kennt, weiß, daß alles eher als dieses der Fall ist; aber das unverständige Geschwätz hat sie vollends eingeschüchtert, daß sie fast mit niemand zusammenkommt und so in Einsamkeit und Selbstverleugnung dahinlebt.
    Sie sitzt den ganzen Tag am Fenster und spinnt; sie spinnt jahraus und – ein, als ob sie sieben Töchter auszusteuern hätte, damit doch mittlerweile etwas angesammelt würde, wie sie sagt, und wenigstens der Sohn für sein Leben lang und für sein ganzes Haus genug Leinwand finde. Wie es scheint, glaubt sie durch diesen Vorrat weißen Tuches, das sie jedes Jahr weben läßt, Ihr Glück herbeizulocken, gleichsam wie in ein aufgespanntes Netz, damit es durch einen tüchtigen Hausstand ausgefüllt werde, wie die Gelehrten und Schriftsteller etwan durch ein Buch weißes Papier gereizt werden sollen, ein gutes Werk darauf zu schreiben, oder die Maler durch eine ausgespannte Leinwand, ein Bild darauf zu malen.«
    Bei diesem letztern Vergleich des wackern Redners konnte ich mich eines bittern Lächelns nicht enthalten. Das schien ihm wohl die Richtigkeit seiner Vermutungen zu bestätigen, und er fuhr fort: »Zuweilen stützt sie ausruhend den Kopf auf die Hand und blickt unverwandt in das Feld hinaus, über die Dächer weg oder in die Wolken; wenn es aber dämmert, so läßt sie das Rad stillstehen und bleibt so im Dunkeln sitzen, ohne Licht anzuzünden, und wenn der Mond oder ein fremder Lichtstrahl auf ihr Fenster fällt, so kann man alsdann unfehlbar ihre Gestalt in demselben sehen, wie sie immer gleicherweise ins Weite schaut.
    Wahrhaft melancholisch aber ist es anzusehen, wenn sie die Betten sonnt; anstatt sie mit Hilfe anderer auf unsern Platz hinzutragen, wo der große Brunnen steht, schleppt sie dieselben auf das hohe schwarze Dach Eures Hauses, breitet sie dort an der Sonnenseite aus, geht emsig auf dem abschüssigen Dache umher, ohne Schuhe zwar, aber bis an den Rand hin, klopft die Kissen und Pfühle aus, kehrt sie, schüttelt sie und hantiert so seelenallein in der Höhe unter dem offenen Himmel, daß es höchst verwegen und sonderbar anzusehen ist, zumal wenn sie innehaltend die Hand über die Augen hält und droben in der

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