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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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jugendliche Geschöpf mit solchem Bewußtsein, solcher Bestimmtheit und Leichtfertigkeit sprechen zu hören, eine so zarte, zerbrechliche Existenz sich erklären zu hören, daß sie in Arbeit und Liebe aufgehe und sonst nichts von der Welt begehre. Und doch war es wiederum wie eine Erscheinung aus der alten Fabelwelt, die ihr eigenes Sittengesetz einer fremden Blume gleich in der Hand trug. Es wurde mir zu Mut, als ob eine wirkliche Huldin sich aus der Luft verdichtet hätte und mit warmem Blute in meinen Armen läge.
    Unser Reden war bereits ein leises Kosen geworden; nach einem Weilchen flüsterte sie mir zu: »Und wie steht es denn mit Ihnen? Sind Sie frei?«
    »Leider ganz und gar seit Jahren!«
    »Nun denn, so lassen Sie uns ganz still und gemächlich eine Bekanntschaft anfangen und ruhig sehen, wohin sie uns führt!«
    Diese prosaisch gemeinen Gewohnheitsworte sagte sie aber mit der Stimme und dem Ausdrucke eines Mägdleins, das sein erstes Geständnis preisgibt, oder gewissermaßen mit dem Tone eines jener unsterblichen Wesen, das die Gestalt einer armen Dienstmagd angenommen hat, um in ewiger Jugend und Neuheit einen Liebeshandel zu eröffnen. Freilich lag hierin auch die Sicherheit, daß sie über meinen Verlust ebenso unbeschädigt zur Tagesordnung gehen würde wie über jeden andern. Das fühlte ich deutlich und suchte dennoch ihre kleine Hand und ihren Mund, der mir mit ambrosischer Frische entgegenkam, so rein und duftig wie eine aufgehende Rose.
    »Nun wollen wir gehen!« sagte sie; »wenn Sie so gut sein wollen, mich bis zu meiner Wohnung zu begleiten, so sehen Sie das Haus. Sonnabends kommen Sie so um die neun Uhr vor dasselbe, und wir reden alsdann ab, was wir sonntags beginnen wollen. Die Woche durch aber schaffen wir still und zufrieden drauflos! O wie lieb ist die Arbeit, wenn man dabei an was Liebes zu denken hat und sicher ist, am Sonntag mit ihm zusammen zu sein. Und wenn wir erst so weit sind, daß wir im Stübchen bleiben und uns zusammentun, so mag es regnen und stürmen, wir sitzen ruhig und lachen den Himmel aus!«
    »Aber woher weißt du denn, du gutes liebes Kind, daß alles so erwünscht ausfallen und gehen wird, was mich betrifft? Woher kennst du mich denn?«
    »Da sei ohne Sorge, ich kenne dich schon so ein wenig, und etwas wagen muß das Herz und früh auf sein, wenn es leben will! Wenn du wüßtest, was ich schon gesehen und erfahren habe! Und wenn es dir an Arbeit fehlen sollte, so kann ich sie dir verschaffen, ich komme weit herum und höre und sehe mehr, als mancher glaubt!«
    Sie hatte sich an meinen Arm gehängt und ging fest und munter neben mir her, ein kleines Liebeslied summend und immer dasselbe wiederholend. Ich traute meinen Sinnen kaum, mitten in der Not und Bedrängnis, in die ich geraten war, auf der vermeintlich dunkelsten Tiefe des Daseins so urplötzlich vor einem Quell klarster Lebenswonne, einem reichen Schatze goldenen Reizes zu stehen, der wie unter Schutt und dürrem Moose verborgen hervorblinkte und schimmerte!
    Den Teufel auch! dachte ich, das Völklein hat ja wahre Hörselberge unter sich eingerichtet, wo der prächtigste Ritter keine Vorstellung davon hat; wie es scheint, muß man selbst arm werden, um die Herrlichkeit zu finden!
    »Was studieren Sie denn so fleißig?« sagte Hulda, ihr Liedchen unterbrechend.
    »Nun, ich betrachte mir eben das schöne Glück, das ich so unverhofft gefunden habe! Darüber darf man doch ein bißchen erstaunt sein?«
    »Ei, was sind das für aufgeputzte Worte! Wie aus einem Lesebuch! Aber wenn ich es bedenke, so hab ich schon ein paarmal gemeint, du redest und tätest nicht wie ein richtiger Arbeitsgesell. Du hast vielleicht schon bessere Zeit gehabt und eigentlich nicht ein Handwerker werden sollen?«
    »Ja, es ist so was! Aber nun bin ich zufrieden, besonders heut!«
    »Komm, komm!« sagte sie, umhalste mich und küßte mich mit süßester Innigkeit, daß ich wie im Rausche weiter mit ihr ging; denn unser Weg war lang.
    Ich hatte aber meine vorhinnigen Worte nicht gelogen, sondern setzte sie in Gedanken fort:
    Warum sollst du nicht untertauchen in diese glückselige Verborgenheit, allem ideal-und ruhmsüchtigen Treiben entsagend? Warum solltest du nicht gleich morgen wieder solcher Arbeit nachgehen, wie du seit Wochen verrichtet hast, ein Arbeiter unter Arbeitern sein, deines bescheidenen Brotes jeden Tag gewiß und jeden Abend deine stille Ruhe findend an diesem zarten Busen, der einer so langen Jugend entgegenblüht?

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