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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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das Wahrnehmen eines Lebensganges, wie der Ihrige sich darbietet. Sie sind ein wesentlicher Mensch, aber Sie leben in Symbolen, sozusagen, und das ist ein gefährliches Handwerk, besonders wenn es in so naiver Weise geschieht! Doch wollen wir darüber uns jetzt keine grauen Haare wachsen lassen, wenigstens nicht Sie; denn was mich betrifft, so kann ich dies Sprichwort leider nicht mehr gut anwenden. Was mir zunächst obliegt, ist die Vergütung, die ich Ihnen für diesen Schmuck meines Büchersaales zu leisten habe!«
    »Das haben Sie ja schon getan!« sagte ich fast erschrocken, daß ich schon wieder Geld erhalten solle, so verdächtig war mir dies ungewohnte Glück; und  doch zierte ich mich eher, als daß es mir Ernst war, ohne doch die Ziererei zu beabsichtigen. Denn der Graf dauerte mich in meine eigene Armut hinein ob so starken Ausgaben.
    Er rief aber: »Mädchen Sie keine Umstände, mein Lieber! Es soll nicht ein Kaufpreis sein, denn ich weiß wohl, daß solche Sachen nicht leicht an Mann zu bringen und für jedermann brauchbar wären; es ist vielmehr eine Diskretionsfrage für mich und für Sie eine Notwendigkeit. Da das also so zusammentrifft und außerdem zur Durchführung unsers ungewöhnlichen Abenteuers beiträgt, warum sollten wir demselben die Ehre nicht antun?«
    Hiemit schob er mir eine Papierhülle voll Banknoten in die Brusttasche; es war, wie ich später fand, eine gleiche Summe, wie er mir schon ausbezahlt, so daß ich also schon doppelt so reich dastand als nur vor einigen Tagen.
    »Nun«, fuhr er fort, »sprechen wir von der Hauptsache, davon nämlich, was Sie beginnen wollen? Ich fühle auch, daß Sie umsatteln sollten; für einen biedern Landschafter ist Ihre Einrichtung zu weitläufig, zu winkelig, zu irrgänglich und unruhig, da muß ein anderer Hausmeister hinein! Aber nicht so trübselig und unfreiwillig muß es geschehen, sondern, wie wir schon gesagt, mit dem Anstand eines freien Entschlusses, der allenfalls auch anders zu fassen war!«
    »Dem Anstand ist ja schon Genüge getan durch die Aufnahme, welche Sie meinen zweifelhaften Erzeugnissen gewähren!«
    »Nein, in meinem Sinne nicht! Sie müssen sich selbst noch den Beweis leisten, daß Sie, wenn auch nicht glänzend, doch mit Ehren bestehen könnten bei dem Berufe, den Sie gewählt; dann erst mögen Sie sich bedanken und daran vorbeigehen! Malen Sie bei uns ein fertiges Bild, mit gesammelter Kraft, aber leichten Herzens, keck und ohne Sorgen, und ich will wetten, wir verkaufen es!«
    Ich schüttelte abermals den Kopf, da ich an die Monate dachte, welche ein solches Unterfangen noch kosten würde.
    »Diese Tat«, sagte ich, »selbst wenn sie gelänge, würde ja wieder nichts anderes als eines der Symbole sein, von denen Sie sagen, Herr Graf, daß ich in ihnen lebe, und in diesem Falle eines, das mir doch zu kostspielig wäre! Auch haben Sie selbst mit Ihrer Großmut dahin gewirkt, daß die Heimreise mir nun in den Gliedern liegt!«
    »Hören Sie an!« versetzte er, »wir wollen ohne längeres Zaudern vorgehen!
    Aber eine Nacht müssen Sie die Frage noch beschlafen. Machen Sie sich auf morgen früh reisefertig, der Wagen soll bereitstehen; dann bringe ich Sie je nach Ihrem letzten Worte entweder zur Station der nach der Schweiz durchgehenden Post, oder wir fahren zusammen nach der Hauptstadt, wo ich ohnedies zu tun habe und Sie die für Ihre Arbeit nötigen Einkäufe besorgen.
    Soll es gelten?«
    Ich schlug ein, zweifelte aber nicht, daß ich den Weg in die Heimat wählen werde.
    Diesen Tag sollte das Essen in dem sogenannten Rittersaale eingenommen werden, einem in den oberen Stockwerken liegenden und mir noch unbekannten Raume. Dorothea kam in die Bibliothek, uns das zu verkünden.
    Es sei dort vermöge der Sonnenseite heute eine so milde Temperatur, daß der Saal nicht brauche geheizt zu werden und der schöne Herbsttag zu den Fenstern hereinspazieren könne. Sie selber sah, wie ich mit stillem Erstaunen wahrnahm, einem hellen Junitage gleich; auch der Graf betrachtete sie überrascht einen Augenblick. Sie war in schwarzen Atlas gekleidet, trug um Hals und Brust eine vornehme Spitzenzierde, und in dieser verlor sich eine Perlenschnur. Die dunkle Lockenlast aber war heut mit besonderm Schwunge nach dem Nacken zurückgeworfen, während die hiedurch zutage tretenden lichten Felder der Schläfengegend dem Kopfe einen Ausdruck von Freiheit, wo nicht von Stolz verliehen.
    »Was hast du denn vor, daß du dich so aufgeputzt?« sagte der

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