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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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just eine wohlgeborgene kleine Kopfstelle unter den Bäumen für ihn ausgedacht, die niemals umgegraben wird.«
    Dieses »gelegentlich«, das wie ein Rosenblatt ohne alles Gewicht von ihren Lippen fiel, erklang so gastfreundlich, daß es mir sogleich das Herz erfreute.
    Doch erwiderte ich, der Schädel müsse nach meinem Vorsatze mit mir in die Heimat zurück, und dort wolle ich ihn endlich wieder der Erde übergeben, wenn das auch als eine leere und unnütze Handlung erscheine.
    »Wann gehen Sie denn?« sagte Dortchen.
    »Ich denke morgen, wie ausgemacht!«
    »Sie gehen nicht, sondern tun, was der Papa rät! Kommen Sie, ich zeig Ihnen was Hübsches!« Sie öffnete ein altes eingelegtes Schränkchen, das in der Ecke stand, und nahm einige sehr bunte feine und echte chinesische Täßchen aus demselben hervor. »Sehen Sie, die hab ich von Ihrem und unserm Trödelmännchen erwischt; er hat mir noch mehrere in Aussicht gestellt, aber nicht Wort gehalten bis jetzt. Wir haben sie hierhergebracht, damit Sie uns einmal zum Kaffee bei sich einladen können, oder unten im Saal, und damit auch etwas Artiges in Ihrem Zimmer ist! Schau auf, Röschen, so hat Herr Lee Flöte gespielt, als ich ihn zuerst gesehen!«
    Sie nahm meinen Stock, hielt ihn wie eine Flöte an den Mund und sang dazu ein paar Zeilen der Freischützarie »Und ob die Wolke sie verhülle«, und den Stock weglegend, sang sie in beschleunigtem Tempo, sie übermütig abhaspelnd, die Schlußverzierung mit einer Schönheit und Sicherheit der Stimme, die mich in neues Erstaunen versetzte. Sie sang aber keine Note länger, als sich mit einer kurzen Aufwallung guter Laune vertrug, und das Lied verklang ebenso unerwartet, wie es begonnen. Plötzlich sah sie den Kaplan über den Platz gehen und rief ihm aus dem Fenster zu: »Ehrwürden! kommen Sie ein bißchen zu uns herauf, wir schwatzen hier, bis wir zum Tee wandern, und machen unserm herrlichen Dulder Odysseus den Hof. Röschen stellt die Nausikaa vor, Sie die heilige Macht Alkinoos', des edlen Phäakenbeherrschers, und ich die Mama Arete, Tochter des göttergleichen Rhexenor!«
    »Da wären Sie ja meine Gemahlin, gnädigste Heidin!« sagte der geistliche Herr schnaufend, als er in der Tat herangestiegen kam.
    »Merken Sie was, o geschorner Diener der Heiligen Jungfrau«, lachte sie, »welche den Äther beherrscht und thronet auf goldnen Altären?«
    »Diese Unterhaltung geht über meinen Horizont!« rief Röschen, nachdem sie dem Kaplan einen der wenigen Stühle zugerückt hatte, und zog sich zurück, indessen jener ein lustiges Plaudern begann und den Krieg mit dem Fräulein fortführte. Schließlich kam noch der Graf, um zu sehen, wo wir alle blieben, und nahm an dem Geplauder teil, bis es dunkelte und der Mond über den Parkbäumen stand, der seinen Schein in das Zimmer hereinsandte. An seiner Gestalt erkannte ich, daß nun vier Wochen verflossen seien, seit ich mit den Arbeitermädchen unter den Silberpappeln am Flusse gesessen, und wunderte mich über den Wechsel der Dinge in einem so einfachen Lebenslauf.
    Im Schlosse saß die kleine Gesellschaft dann noch lange beisammen. Im Anfange schien Dortchen noch aufgeregt fröhlich; allmählich wurde sie stiller und begnügte sich, zuweilen an dem großen Flügel kurze Sätze anzuschlagen; zuletzt verschwand sie ohne Abschied.
    Ich konnte in jener Nacht keinen Schlaf finden, bis der Morgen graute, ohne daß ich mich deswegen übel befand. Kaum hatte ich eine kurze Zeit geschlafen, so wurde ich geweckt, weil die Stunde der Abreise da war.
    Verwirrt und in Übereilung kleidete ich mich an und lief hinüber, wo der Graf schon beim Frühstücke saß, der Wagen vor der Türe stand und der Kutscher bei den Pferden. Als wir eingestiegen waren, sagte der Graf: »Nun, wohin soll's gehen?« Keine Dorothea ließ sich sehen, und doch wagte ich weder nach ihr zu fragen, da ich die Unbefangenheit allbereits eingebüßt, noch vermochte ich ohne Abschied aus dem Lande zu gehen. Ich sagte daher, nachdem ich mich eine Minute besonnen, im letzten Augenblicke, ich wolle dem Vorschlage des Herren Grafen folgen.
    »Gut so!« erwiderte er und ließ die Richtung nach der Stadt einschlagen, von welcher ich, hergekommen.

Zwölftes Kapitel
    Der gefrorne Christ
    Auf der Nordseite des Schlosses bezeichnete ein höheres Fenster den Raum, in welchem die Hauskapelle eingebaut war. In diesem Jahrhundert hatte sie schwerlich noch einen Gottesdienst gesehen; doch war kirchlicher Zier-und Hausrat noch an

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