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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Augen schließt, wie alle, die sich selbst belügen und damit andere terrorisieren, und die Art, wie er sich nachher immer wieder wegen des in der Höhle Gesehenen benimmt, dies alles gewahrte er nicht oder rümpfte unmerklich die Nase dazu.
    Sein Idealismus, und er nannte sich bald rühmend, bald entschuldigend einen Idealisten, bestand darin, daß er gegenüber seinen Zuhörern, welche alles Wirkliche und Geschehende, sofern es sein eigenes Wesen ausreichend und gelungen ausdrückt und darstellt, für ideal hielten, eben dieses Wirkliche und Gewordene materiellen und groben Mist oder Staub schalt und dagegen alles Niegesehene, Nichtbegriffene, Namenlose und Unaussprechliche ideal hieß, was ebensogut war, als wenn man einen leeren Raum am Himmel Vorpommern nennen wollte. So nannte er auch jedes dilettantische pfuschende Treiben, aus dem nichts werden konnte, eine ideale Bestrebung, wenn es auch noch so verkehrt und anmaßlich war; die aufopfernde ernste Arbeit in Wissenschaft und Kunst dagegen, die zum Gelingen führte, war ihm ein am Irdischen klebendes Haschen nach Erfolg, nach Ehre und Gut. Den Baumeister, dessen Kirchtürme zusammenfielen, pries er als einen tragisch gestellten Idealisten, denjenigen, dem sie stehenblieben, einen materialistischen Glücksjäger.
    Als katholischer Priester war er duldsam und über seine Kirche hinaus; hierüber schwieg er bescheiden und rühmte sich nicht. Den aufgeklärten Deismus aber, welchem er huldigte, vertrat er fanatischer als irgendein Pfaffe seine Satzungen. Er suchte einen rechten Höllenzwang auszuüben mit idealen und humoristischen Redensarten und baute seine Scheiterhaufen aus Antithesen, hinkenden Gleichnissen und gewaltsamen Witzen, auf denen er den Verstand, den guten Willen und sogar das Gewissen der Gegner zu verbrennen trachtete, seiner eigenen Meinung zum angenehmen Brandopfer.
    Diese tapfere Lieblingsbeschäftigung, nebst der Gastfreundschaft des Grafen, führte ihn häufig in das Haus, und da er zugleich ein ehrlicher Gesell und redlicher Helfer bei wohltätigen Unternehmungen war, so gereichte er zum Nutzen wie zur bleibenden Heiterkeit des Hauses. Besonders Dorothea wußte ihn mit der leichtesten Anmut in den Irrgärten seines fanatischen Humors herumzuführen, neckisch vor ihm herzuhuschen und durch die Buschwerke seines krausen Witzes zu schlüpfen. Unergründlich war es dabei, ob mehr ein heiteres Wohlwollen oder ein bedenklicher Mutwillen im Spiele lag; denn ebensooft, als sie dem Kaplane Gelegenheit gab zu glänzen, verlockte sie seine Eitelkeit auf das Eis, wo sein Witz das Bein brach.
    Das war nun der richtige Mann, an welchem ich meine neuen Waffen zu üben Gelegenheit fand, und ich tat es um so rücksichtsloser, als ich gegen Unarten focht, denen ich selber schon in mehr als einer Hinsicht gefrönt hatte.
    Nach dem ersten wehmütigen Erstaunen über meinen Abfall holte er mit verdoppelter Kraft aus, um mich niederzustrecken; da ich aber das schonende Maß, dessen er gewohnt war, mit weniger Lebensart als neophytischer Kampflust überschritt, ihm phantastische Ausfälle und humoristische Stiche in gleicher schlechter Münze zurückgab, wurde er verstimmt und ging mehr als einmal der geselligen Erholung verlustig, welche er nach tagelangem Messelesen und Ministrieren gesucht hatte. Hierüber wurde ich meinerseits betroffen; ich verwunderte mich, wie wenig der Mensch sich zu ändern imstande ist, wenn ich an das Erlebnis mit Ferdinand Lys zurückdachte, wo ich mich sogar einer schlimmeren Aufführung schuldig gemacht und mit einem Degen in der Hand auf der entgegengesetzten Seite, derjenigen des Kaplans, gestanden hatte. Ich faßte den Vorsatz, mich zu mäßigen und zu bessern, verfiel aber von neuem in den alten Fehler. Dadurch wurde ich als ein angehender Ruhestörer selbst der Schonung bedürftig, fühlte es und wurde selber betrübt.
    Allein es war schon dafür gesorgt, daß dem bedrängten Kaplan eine unerwartete Hilfe kommen sollte. Eines Tages rasselte ein offenes Fuhrwerk, bespannt mit einem schwerfälligen Bauernpferde, vor das Schloß. Auf dem Bock saß ein ländlicher Kutscher mit einer Tabakspfeife im Munde, in dem beckenförmigen Kasten dagegen, wie in der Muschel der Venus, ein seltsamer Mann mit einem großen Schlapphute, ebenfalls eine Pfeife im Munde tragend.
    Neben ihm lehnte ein mannshoher Kornsack, der aber mit vielen größeren und kleineren, eckigen und runden Gegenständen gefüllt schien und oben mit Mühe

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