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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Heiterkeit anzubringen war. Jeder fand seine Gelegenheit, ein Wort mitzusprechen, und keiner mißbrauchte sie, weil das Treffendere und deshalb scheinbar Neuere schon gesagt war, sofern einer darauf ausging, dergleichen zu leisten. Selbst der Kaplan übte seine Künste mit höflicher Mäßigkeit, und der Pfarrherr, ein rechtgläubiger, aber nicht bösartiger Katholik, zog von vornherein eine so generose Linie des allenfalls zu Dulden den um seine behagliche Person, daß die Überschreitung der Grenzwehr niemandem einfiel und sogar nicht einmal eine merkliche Annäherung versucht wurde.
    Ungeachtet dieses heitern Daseins nahm ich meine Zeit wahr, um mich für einmal zurückzuziehen, da ich durch mein Dableiben weder aufzufallen noch zu stören wünschte. Für den Augenblick etwas ruhiger geworden, begab ich mich in die alte Hauskapelle und machte mir dort einiges mit meinen Bildern zu schaffen, die halb eingetrocknet dastanden.
    Wie ich mich so in der Stille befand, kam mir plötzlich die Mutter in den Sinn, welche in der fernen Heimat saß und nicht wußte, wo ich war, indessen es mir hier wohlerging. Längst hätte ich ihr nun Nachricht geben können und sollen, da sich die Umstände ja für einmal tröstlich verändert hatten; daß ich es dennoch immer verschob, geschah aus unklar ineinanderfließenden Ursachen.
    Erstlich hielt ich allerdings meine Angelegenheiten nicht mehr für so sehr wichtig und besprechenswert, seit ich aus der Not erlöst war; dann dachte ich wieder, durch die Freude einer unvermuteten Ankunft alles gutzumachen, bis wohin die kurze Spanne Zeit, gegenüber den verflossenen Jahren, nicht mehr in Betracht käme; endlich aber scheute ich mich unbewußt, bei dem jetzigen innern Zustande irgendeinen Laut von mir zu geben, zumal die geheime Selbstliebe trotz aller gegenteiligen Gedankengänge und Vorsätze sich doch nicht eingestehen wollte, daß jede Entscheidung undenkbar sei. Als ich nun in einiger Ruhe dies Wirrsal beschaute, faßte ich doch den Entschluß, die stille Stunde zu benützen und der Mutter zu schreiben, wo ich sei, wie es mir gehe und daß ich bald heimkehren werde. Zu diesem Zwecke ging ich nach dem Gartenhause hinüber, wo ich etwas Bücher und Schreibzeug liegen hatte. Auf dem Wege dahin bemerkte ich, daß die Gesellschaft sich in dem wie im Frühlingslichte ruhenden Park erging; das konnte mir als merkwürdiges Bild eines Neujahrstages und meines Aufenthaltes gleich zum Eingange des Briefes dienen. Kaum war ich aber in meinem Zimmer oder Schlafsälchen angelangt, so klopfte es, und Röschen die Gärtnerin erschien in der Sonntagstracht der Landesgegend vom zierlichsten Schnitte; die wollene pelzverbrämte Jacke trug sie der warmen Luft wegen nur am Arme, so daß die Brustbekleidung von grüner Seide mit ihren silbernen Häkchen und Knöpfchen den Wuchs des hübschen Mädchens um so feiner zeichnete. Ein kleines Gehäube, von schwarzem Samt und Spitzen zusammengesetzt, bekleidete den Ausgang der starken goldenen Zöpfe, von denen der eine wie aus Übermut über die Schulter nach vorn gezogen war und mit der Jacke auf dem Arme lag.
    Sie war von Seite des Fräuleins an mich abgesandt mit der Aufforderung, sogleich nebst der Botin zu ihr zu kommen und den Frauenzimmern den Ort zu zeigen, wo ich den blühenden Zeidelbast gefunden habe. Das Mädchen lächelte artig und schalkhaft bei seiner Verrichtung, seines vorteilhaften Aussehens wohlbewußt; der schöne Anblick saß mir auch fest im Auge, doch nahm ich denselben lediglich zugunsten der Herrin, deren Schönheit ich ihn zurechnete. Ohne Zögern ließ ich liegen, was ich vorgehabt, und eilte mit dem Mädchen durch Bäume und Herrschaften nach dem Kirchhofe, wo Dorothea wartete.
    »Wo stecken Sie denn?« rief sie mir entgegen; »wir wollen noch mehr von dem blühenden Zeiland suchen, das kann man nicht alle Neujahrstage.
    Überdies sind wir die einzigen jungen Leute hier und dürfen uns auf unsere Weise auch ein bißchen des Lebens freuen!«
    Sie ergriff somit meinen Arm, und wir gingen, von Röschen begleitet, nach dem Buchenwald, den wir in acht oder zehn Minuten erreichten. Der Waldboden war trocken wie im Sommer, und sobald wir ihn betraten, fing Dortchen an zu singen, und zwar ein wirkliches Volkslied und im Tone, wie das Volk selber singt, treuherzig und selbst mit den kleinen Schnörkeln verziert, die jenes anzuhängen pflegt. Röschen fiel alsbald mit der zweiten Stimme ein, etwas tief und derb, so daß es klang, wie wenn

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