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Der gruene Stein

Der gruene Stein

Titel: Der gruene Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Scott
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Düstere Niedergeschlagenheit überfällt mich. Es kommt mir allmählich vor, als sollte ich dieses Medaillon nie finden. Jedes Mal, wenn ich in seine Nähe komme, stolpere ich nur über noch mehr Leichen. Und irgendwann zehren all diese Leichen an den Nerven, selbst von jemandem, der daran gewöhnt ist.
    Während ich mich auf den Heimweg durch Kushni mache, versuche ich, aus der ganzen Angelegenheit schlau zu werden. Eigentlich habe ich keinen Schimmer, was hier vor sich geht. Vor allem der Tod des Mannes auf dem Stuhl macht mir Sorgen. Schwertwunden sind eine klare Sache, aber ein Tod, den man nicht erklären kann, riecht immer nach Ärger. Als ich den Mond-und-Sterne-Boulevard erreiche, weiß ich nicht genau, wohin ich mich wenden soll. Sollte ich zur Rächenden Axt zurückgehen? Wahrscheinlich wäre es sinnvoller, Richtung Wahre-Schönheit-Chaussee zu gehen, um ins Viertel der Zauberer zu gelangen und Lisutaris Bericht zu erstatten. Aber welchen Zweck hätte das schon? Sie wird mich nur zu irgendeiner anderen gottverlassenen Kaschemme hetzen, wo ich wieder einen Haufen Leichen vorfinden werde.
    Es ist so heiß wie in der orgkischen Hölle. Ich habe mich schon in Wüsten herumgetrieben, in denen es kühler war. Vielleicht hilft ja ein Bier. Das tut es meistens. Ich sehe mich nach einer Taverne um, einer, in der es unwahrscheinlich ist, auf Mordopfer zu stoßen, jedenfalls nicht, bevor ich etwas getrunken habe. Gerade habe ich ein einigermaßen ansprechendes Etablissement auf der anderen Straßenseite erblickt, als eine Kutsche neben mir anhält. Es ist eine Staatskarosse, und der Fahrer trägt die Livree des Kaiserlichen Palasts. Die Tür schwingt auf, und eine Gestalt in einer Toga beugt sich heraus.
    »Thraxas! Was für ein glücklicher Zufall! Ich bin gerade zu Euch unterwegs.«
    Es ist Harrius, der Assistent des Vizekonsuls Zitzerius. Harrius ist ein gebildeter, gut aussehender junger Mann, ein Senatorensohn, der dabei ist, die Karriereleiter im öffentlichen Dienst zu erklimmen. Bis jetzt läuft es sehr gut. Er war noch nie in einen Skandal verwickelt und ist sogar beim Konvent der Zauberer nüchtern geblieben. Dabei ist dieses Ereignis für seinen Alkoholverbrauch und seine Degeneriertheit berüchtigt.
    »Zitzerius möchte, dass Ihr ihn auf der Stelle aufsucht.«
    Ich werfe einen Blick auf die einladende Taverne auf der anderen Straßenseite. »Sagt ihm, dass ich beschäftigt bin.«
    »Es ist eine offizielle Vorladung.«
    »Ich bin trotzdem beschäftigt.«
    »Was tut Ihr?«
    Meine Kopfschmerzen verstärken sich. »Belästige ich Euch etwa auf offener Straße und frage Euch nach Euren Geschäften aus? Ich bin beschäftigt. Sagt Zitzerius, dass ich später komme.«
    »Wenn Euch nach einem Bier verlangt, wird Euch der Vizekonsul gewiss eines anbieten«, sagt Harrius. Er ist wirklich ein sehr aufmerksamer junger Mann.
    »Der Vizekonsul serviert Wein, wenn ich mich recht entsinne. Und selbst das nur ziemlich säuerlich.«
    Harrius’ Miene bleibt unverändert streng. »Es ist eine offizielle Vorladung.«
    Ich steige in die Kutsche. Wir fahren langsam nach Norden in Richtung des Palasts. Unsere Staatskarosse hat zwar überall Vorfahrt, aber es herrscht so viel Verkehr, dass es trotzdem lange dauert. Seit das diplomatische Geschick unseres Königs vor einigen Jahren die Handelsrouten nach Süden geöffnet hat, ist der Handel in Turai aufgeblüht. Den ganzen Tag über rollen Lastkarren in die Stadt. An der Ecke der Straße, die zur Wahre-Schönheit-Chaussee führt, werden wir lange von einem großen Lastkarren aufgehalten, der versucht, um eine Ecke zu biegen, für die er viel zu lang ist. Der Fahrer flucht und schreit seine Quadriga an.
    »Das ist aber eine sehr große Lieferung.«
    »Ich glaube, sie ist für Lisutaris bestimmt«, informiert mich Harrius. »Sie bauen auf dem Grundstück ihrer Villa ein Theater auf, in dem die Darsteller während des Balls auftreten werden.«
    Das verschlechtert meine ohnehin miese Stimmung noch weiter. Ich frage Harrius, ob er auf den Ball geht. Natürlich tut er das.
    »Ich begleite den Vizekonsul immer zu gesellschaftlichen Ereignissen.«
    Harrius hat offenbar gelernt, dass es einem jungen Mann im öffentlichen Dienst ansteht, taktvoll zu sein, also fragt er mich nicht, ob ich ebenfalls eingeladen bin. Er weiß sehr gut, dass ich nicht mehr auf der Gästeliste für vornehme Partys stehe, seit ich aus dem Palastdienst geflogen bin. Zum Teufel damit. Wer will schon auf einen

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