Der gruene Stein
Lisutaris murmelt erneut den Minderzauber, und die Tür schwingt auf. Dahinter wartet eine elegant gekleidete Frau mittleren Alters auf uns, die mit einem Haufen Juwelen behängt ist und sich in Begleitung eines nackten, erheblich jüngeren Mannes befindet, der aussieht wie ein erfolgreicher Athlet. Sie sind beide vollkommen mit ihrer Boahpfeife beschäftigt.
»Bitte verzeiht mir, Marwini, meine Liebe«, haucht Lisutaris liebenswürdig und zieht sich aus dem Raum zurück. Dabei legt sie eine verblüffende Eleganz an den Tag. Makri und ich dagegen stolpern hinter ihr her. Uns ist das alles ziemlich peinlich.
»Wer war das denn?«
»Prätor Raffius’ Gemahlin«, antwortet Lisutaris. »Ehrlich, ich hatte keine Ahnung. Ich dachte immer, die beiden wären ein recht zufriedenes Paar. Erst letzte Woche hat sie mir bei einem Glas Wein verraten, dass sie sich nie glücklicher mit ihrem Ehemann gefühlt hat.«
»Wahrscheinlich, weil er immer seltener zu Hause vorbeischaut.«
»Sind solche Vorkommnisse denn in ganz Kushni üblich?«
»Das ist ziemlich guter Durchschnitt«, versichere ich ihr. »Obwohl sich unsere Aristokraten vielleicht einen neuen Ort für ihr Fehlverhalten suchen müssen, wenn Ihr weiterhin Zaubersprüche benutzt, um Türen zu öffnen.«
»Ich möchte gern das nächste Zimmer aussuchen«, bittet Makri.
In diesem nächsten Zimmer finden wir tatsächlich Barius. Er liegt bewusstlos auf einer Couch. Das ganze Zimmer stinkt nach Boah. Aus dem überwältigenden Gestank und dem allgemeinen elenden Eindruck würde ich schließen, dass er bereits einige Tage hier vegetiert.
»Ich habe das richtige Zimmer gefunden«, sagt Makri gut gelaunt.
»Du musstest ja nur noch zwischen zwei Türen wählen.«
»Darum geht es nicht. Du hast dich geirrt, und ich habe richtig gewählt.«
»Darum geht es sehr wohl. Die Chancen waren vollkommen andere.«
»Müsst Ihr beiden Euch denn immer wieder streiten?«, fragt Lisutaris. »Hier ist Euer Verdächtiger. Was macht Ihr jetzt?«
»Ihn aufwecken, falls das möglich ist.«
Neben der Couch steht ein Krug mit abgestandenem Wasser. Ich nehme ein Blatt Lebatrana aus einem kleinen Beutel an meinem Gürtel und versuche Barius dazu zu zwingen, es zu schlucken. Es ist sehr schwierig, und ich bin sehr vorsichtig, falls Barius ausgerechnet diesen Moment wählen sollte, sich zu übergeben.
»Und jetzt warten wir eine Weile. Lisutaris, schließt bitte die Tür.«
Die Lebatrana-Blätter von den Elfeninseln sind sehr wirkungsvoll, wenn man das Nervensystem von schädlichen Substanzen aller Art heilen will. In den Menschenländern sind sie nur schwer zu bekommen. Normalerweise würde ich mich hüten, sie an einen Boahsüchtigen zu verschwenden, der sich sowieso bei der nächsten Gelegenheit wieder mit Boah vollpumpt. Aber ich kann nicht so lange warten, bis Barius auf natürlichem Weg sein Bewusstsein wiedererlangt. Ein paar Minuten, nachdem er das Blatt geschluckt hat, gewinnt seine Gesichtshaut ihre natürliche Farbe zurück, und seine Pupillen reduzieren sich auf ihre normale Größe. Er hustet und versucht, sich aufzusetzen. Ich flöße ihm noch etwas Wasser ein.
»Vee … Wer seid Ihr?«
»Thraxas. Detektiv.«
»Detektiv? Von … von …?«, keucht er.
»Nein, nicht von Luxius’ Agentur. Ich bin ein unabhängiger Detektiv und kann Euch helfen.«
»Was wollt Ihr?«
»Ich will Euch einige Fragen stellen.«
Vermutlich hat das Lebatrana-Blatt seine Aufgabe zu gut erfüllt. Barius hat etwas von seiner jugendlichen Kraft und seinem Trotz wiedergefunden.
»Geht zum Teufel!«, sagt er und versucht, von der Couch aufzustehen. Ich lege meinen Arm um seine Schultern und drücke ihn wieder hinunter. Makri steht neben mir. Ich spüre ihre Ungeduld. Falls Barius Informationen hat, die ihre Unschuld beweisen können, wird sie ihn nicht aus dem Raum lassen, bevor er damit herausgerückt ist. Lisutaris dagegen wirkt ziemlich gelangweilt. Außerdem findet sie diesen schmutzigen, übel riechenden Raum offenbar wenig erbaulich.
Ich frage Barius, ob er etwas von dem Diebstahl des Geldes an der Innungshochschule weiß. Er vermittelt allerdings den starken Eindruck, dass er viel zu sehr von Boah abhängt, um überhaupt etwas zu wissen. Ich bin gerade dabei, ihm damit zu drohen, seinem Vater und seinen hochnäsigen Verwandten zu erzählen, was er in seiner Freizeit so anstellt, als Makri der Geduldsfaden reißt.
Sie hat zwei Schwerter bei sich. Ein glänzendes Elfenschwert und ein
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