Der grüne Stern
– saßen weit vorn zwischen den glasigen, in den Farben des Regenbogens schimmernden langen Flügeln, direkt hinter den dicken Köpfen unserer fantastischen Reittiere.
Um die erschlafften, lange ungenutzten Muskeln meines geliehenen Körpers zu trainieren, hatte ich es mir von Anfang an zur Gewohnheit gemacht, mit Panthon und den Kriegern meiner Leibwache Waffenübungen und Gymnastik zu treiben. Gewöhnlich taten wir dies nachmittags, wenn ich meinen Sprachunterricht hinter mir hatte. Ich übte mit Schwert und Schild, Bogen und Wurfspieß, und im Lauf der Wochen und Monate hatte mein Körper einen Großteil der Kraft und Geschmeidigkeit zurückgewonnen, die er in seinem früheren Leben gehabt haben mußte.
Beim Umgang mit diesen altertümlichen Waffen, mit denen ich natürlich niemals vertraut gewesen war, war ich wieder auf das Phänomen gestoßen, auf das ich schon während des Sprachunterrichts aufmerksam geworden war. Obgleich ich keine Ahnung von Schwertfechten oder Bogenschießen hatte, schienen die Muskeln und Sehnen meines Körpers diese Waffen zu kennen, und ohne über die jeweils richtige Taktik nachdenken zu müssen, parierte ich unbewußt die Scheinangriffe meiner freundlichen Opponenten richtig und konterte sie mit Gegenaktionen, die mir selbst nie eingefallen wären.
Der frühere Besitzer dieses Körpers mußte mit dem Gebrauch der Waffen in einem Maß vertraut gewesen sein, daß Gehirn und Muskeln völlig unabhängig vom Bewußtsein die jeweils notwendigen Bewegungen ausführten, als seien es automatische Reflexe; ich brauchte sie nur gewähren zu lassen. Doch es ist ein unheimliches Gefühl, den eigenen Körper nach anerzogenen Verhaltensmustern reagieren zu fühlen, von denen man keine Ahnung hat.
Das gleiche seltsame Gefühl von unbewußter Vertrautheit stellte sich ein, als meine Libelle davonschwirrte, um sich den anderen anzuschließen. Der wackere alte Chong mußte diese fantastischen Kreaturen tausendmal geflogen haben, und sein Körper kannte jedes Manöver, jedes winzige Zupfen oder Spannen der Zügel, mit denen die Libellen gelenkt wurden. Nach anfänglicher Unbeholfenheit und ängstlicher Verkrampftheit begann ich mich zu entspannen und überließ es der instinktiven Spontaneität, mit dieser Sache fertig zu werden.
Wir schwebten durch eine grüngoldene Zwielichtwelt von schattigen Laubmassen und einfallendem Licht, ein Labyrinth von gewaltigen Stämmen und Ästen, deren Konturen sich in der Ferne im Dunst aufzulösen schienen. Die Luft war kühl und würzig, und nach einiger Zeit begann ich dieses schwerelose Fliegen zu genießen; wir segelten aufwärts und stießen hinab, schwebten auf der Stelle und schössen weiter, und alles geschah mit der mühelosen Leichtigkeit eines Kindertraums vom Fliegen.
Der Anlaß dieses Ausflugs war ein jährlich wiederkehrendes Ereignis, das auf dem Terminkalender des Hofes stand. Einmal in jedem Jahr, wenn die Paarungszeit der prächtigen Riesenlibellen gekommen war, wurde ein gefangenes weibliches Exemplar, die ›Libellenkönigin‹ freigelassen, worauf die ungezähmten, freilebenden Männchen in einem großartigen Schauspiel miteinander wetteiferten, die Gunst der Königin zu gewinnen und die Paarung zu vollziehen. Die Laonesen nannten dieses Ritual den ›Tanz der Libellen‹, und es war wirklich über alle Erwartung schön und seltsam.
Die ›Libellenkönigin‹ war ein ungewöhnlich schön gezeichnetes, golden und blau schimmerndes Tier, anderthalbmal so groß wie die prächtig glitzernden und funkelnden Männchen, die sich bereits eingestellt hatten und ruhelos hin und her schössen oder startbereit auf den Ästen der Umgebung lauerten. Jäger hielten das Weibchen in einem großen Gitterkäfig auf dem Rücken eines breiten Asts gefangen und warteten auf unsere Ankunft, um es dann freizulassen.
Als Niamh näherschwebte und das Zeichen gab, wurde die Vorderseite des Käfigs entfernt. Das herrliche Tier kam heraus, breitete die schimmernden Doppelflügel aus und verharrte einige Sekunden lang leise zitternd. Dann schoß es wie ein goldener Blitz davon. Im nächsten Moment waren fünfzehn oder zwanzig Freier hinter der Königin her, und es begann eine wirbelnde, durcheinanderschießende Jagd von metallisch glänzenden Körpern und sausenden, blitzenden Flügeln, die sich in weiten Spiralen himmelwärts entfernte. Wir schlössen uns dem tobenden Reigen an.
Das glänzende Schauspiel dieser unblutigen Jagd war ein Erlebnis, dem nichts gleichkam,
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