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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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Sprache beherrschte, gewann ihre Neugier Oberhand über ihre mädchenhafte Zurückhaltung und drängte sie, mit mir zu sprechen. Ich schwitzte nicht wenig, als ich das erstemal zu ihr gerufen wurde, weil ich Fragen über mein früheres Leben befürchtete, die ich nicht beantworten konnte; doch zeigte sich, daß mein alter Lehrer auch daran gedacht und sie instruiert hatte, daß meine Erinnerungen noch fragmentarisch seien und die vielen Leben, die ich auf fernen, fremden Welten im Universum zugebracht hätte, meine Erlebnisse im alten Phaolon überdeckt und verschüttet hätten. Ich war Khinnom für soviel Takt dankbar. Er hatte die Gabe, unangenehme Wahrheiten so feinfühlig zu interpretieren, daß jeder Verständnis dafür aufbringen mußte.
    Dennoch wurde ich nicht schlau aus ihm. War er auf meiner Seite, oder war er gegen mich? Immer wieder fragte ich mich, was er wirklich über mich dachte. Ich konnte nicht glauben, daß er mich wirklich für den wiedergekehrten Chong hielt, denn oft machte er dunkle Andeutungen in dieser Richtung, manchmal fast ein wenig spöttisch, doch nie versuchte er, mich als Hochstapler und Betrüger bloßzustellen, im Gegenteil: oft bemühte er sich sogar, mich vor Bloßstellungen zu schützen.
    Wie die meisten Philosophen, war er selbst ein Rätsel.
    Meine erste Audienz fand in einem Vorzimmer der königlichen Gemächer statt und verlief ziemlich unergiebig. Neugierig wie sie war, konnte Niamh sich nicht enthalten, mich mit Fragen über meine Vergangenheit und mein Erinnerungsvermögen in Verlegenheit zu bringen. Sie trug ein einfaches weißes Gewand und saß ungezwungen auf einem erhöhten Sessel, während ich schwitzend und unbehaglich vor ihr stand, eingeengt von dem steifen Brokatrock, den ich nach der traditionellen Etikette zu einem solchen Anlaß tragen mußte. Der hohe enge Kragen, mit Golddraht durchwirkt, scheuerte auf der Haut wie Sandpapier, und ich wand meinen Kopf wie ein Todeskandidat, dem die Garotte um den Hals gelegt wird, rotgesichtig und leidend. Der betont naive Ausdruck ihres Gesichts und das kaum verhohlene Aufblitzen von Übermut in ihren großen Augen legten den Verdacht nahe, daß sie insgeheim ihren Spaß an meiner offensichtlichen Verwirrung und Qual hatte.
    Am nächsten Tag, als ich sie im Brustharnisch eines Kriegers auf einem Ausritt begleitete, fühlte ich mich bei weitem wohler. Die Elfenkrieger von Phaolon mit ihren Federbüschen, überreich geschmückten Zierrüstungen und unpraktischen Umhängen sahen aus wie Statisten einer Ausstattungsrevue oder bestenfalls einer Hollywoodproduktion von ›Ein Mittsommernachtstraum‹, aber für einen Kampf schien dieser farbenfrohe Aufzug kaum geeignet. Glücklicherweise hatte Chong der Mächtige in einer einfacheren Zeit gelebt, und die Prinzessin hatte daraus gefolgert, daß ich mich in dem bronzenen Schuppenharnisch, den Stulpenstiefeln und der Pumphose aus meiner eigenen Epoche mehr zu Hause fühlen würde. Tatsächlich kam ich mir wie ein Flüchtling von einem Kostümball vor, aber diese landsknechtshafte Ausstattung war weniger beengend und lächerlich und sie gewährte mir größere Bewegungsfreiheit.
    Da die Laonesen in Baumstädten hoch über dem Boden lebten und die eigentliche Landoberfläche wegen ihrer zahlreichen und gefährlichen Fauna mieden, ist die Bezeichnung ›Ausritt‹ alles andere als korrekt, zumal ihre Reittiere geflügelt statt behuft waren. Es handelte sich also um einen Ausflug im genauen Wortsinn. Ich war etwas ängstlich, als ich das fantastische Ungetüm von einer Libelle bestieg, nicht nur, weil ich noch nie in einem Sattel gesessen hatte, sondern mehr noch aus einer instinktiven Abneigung gegen das Durchkreuzen des balkenlosen Luftraums auf einem so fragwürdig und unberechenbar aussehenden Ding, wo meine Beine frei über dem schwindelerregenden Abgrund baumelten. Aber es gab keine Hoffnung, diesem fragwürdigen Abenteuer zu entgehen, denn eine königliche Einladung ist soviel wie ein königlicher Befehl. Und es hätte dem Nationalhelden von Phaolon schlecht angestanden, hätte er zugegeben, daß er sich vor der luftigen Höhe fürchtete.
    Eine gewisse Erleichterung fühlte ich, als ich im Sattel saß und sah, daß er mit Sicherheitsgurten ausgerüstet war, die ein Herausfallen verhinderten. Und die Sättel selbst, leicht wie sie waren, hatten hochgezogene Rückenstützen und Sattelknöpfe zum Festhalten. Wir – das heißt, die Prinzessin und ihr Gefolge, zu dem auch ich gehörte

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