Der grüne Stern
zu ohnmächtiger Wut anstachelten.
Mein Tischgenosse war Eloigam, ein trockener, sauertöpfischer Hofpriester, dessen Konversation aus rätselhaften Lehrpredigten bestand, die er mit obskuren Zitaten aus irgendwelchen heiligen Schriften würzte. Ich verstand kaum ein Wort von dem, was er sagte, und die Grunzlaute, das Knurren und Kopfnicken, die er als Antwort bekam, waren für ihn sicherlich nicht aufschlußreicher als sein Sermon für mich.
Der gute Eloigam hatte lange auf die Gelegenheit eines Gesprächs mit mir gewartet, wie es schien, denn er hatte tausend Fragen philosophischer und metaphysischer Natur, die er mir vorlegen wollte, aber leider brachte er sie so umständlich und verklausuliert vor, daß ich sein eigentliches Anliegen erst viel später begriff. Rückblickend empfinde ich für den verkrusteten alten Kleriker tiefe Sympathie, denn als einer, der durch die Portale von Tod und Wiedergeburt gegangen war, mußte ich für ihn eine faszinierende Quelle der Erleuchtung über die Natur der Götter, das astrale Terrain der Oberwelt und alle anderen übernatürlichen Geheimnisse gewesen sein.
Aber wahrscheinlich hätten meine Auskünfte ihn nur enttäuscht. Ich hatte mir nie die Mühe gemacht, tiefer in die einheimische Religion einzudringen, die mit ihren endlosen Götterlisten, den verschiedenen Aspekten von Göttlichkeit und den vielfältigen Verkörperungen, die jede einzelne Gottheit annehmen konnte, von – lähmender Langeweile war. Darüber hinaus gab es zwischen den Göttern und den gewöhnlichen Sterblichen eine Unzahl hierarchisch genau eingeordneter Heiliger, Propheten, Wundertäter, Engel und Geister und was dergleichen mehr existiert.
Jedenfalls mühte ich mich, soweit meine verdrießliche Stimmung dies zuließ, seine kaum verständlichen Fragen so gut wie möglich zu beantworten, obwohl mein Vokabular für die Erörterung komplexer theologischer Probleme nicht eben geeignet war, als plötzlich ein entsetztes Kreischen die Mahlzeit unterbrach und die Ruhe der idyllischen Szenerie zerstörte.
Es war Niamhs Stimme!
Wieder funktionierten die Reflexe meines Kriegerkörpers automatisch. Bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, war ich auf den Beinen und hatte das Schwert in meinen Händen. Ich eilte leichtfüßig den ansteigenden Ast hinauf, vorbei an den noch schreckensstarren Gruppen der Schmausenden, tauchte durch den goldgrünen Blättervorhang – und blieb stehen, verwirrt und entnervt von dem Anblick, der sich meinen Augen bot.
Niamh stand schreckensbleich und zitternd an einem Zweig von der Stärke eines jungen Baums geklammert, die bernsteinfarbenen Augen dunkel und riesig in ihrem kleinen weißen Gesicht. Neben ihr zitterte der hochgeborene Jüngling und machte fahrige, abwehrende Handbewegungen nach dem Ungeheuer, das sie bedrohte.
Ein scharlachrotes Reptil mit Saugfüßen und gezacktem Rückenkamm, zweimal so lang wie ein ausgewachsener Tiger, eine jener Rieseneidechsen, wie ich sie kurz nach meiner Ankunft gesehen hatte. Aus der Nähe hatte sie große Ähnlichkeit mit einem Leguan, nur ihre vierzehigen Saugfüße erinnerten eher an einen Gecko. Wären nicht die beunruhigenden Dimensionen gewesen, hätte man das Tier mit seiner schönen Farbe und Zeichnung sicher gern als einen exotischen Hausgenossen im Terrarium gehalten.
Aber wie die Dinge im Moment lagen, stellten sich solche Fragen nicht; vielmehr schien der Baumleguan nicht abgeneigt, von seiner üblichen Diät abzuweichen und sich die Prinzessin von Phaolon einzuverleiben.
Er hatte sich anscheinend an der Astunterseite aufgehalten und war nun die Rundung heraufgeklettert, angelockt von Geräuschen oder beuteverheißender Witterung. Während der lange Schwanz noch über die Astseite hing, hielt er sich mit den Saugscheiben seiner Zehen an der groben rissigen Rinde des Astes fest, sieben oder acht Meter von seinen hilflosen Opfern entfernt, und beobachtete sie aus großen grünen Echsenaugen, die von faltigen Lidern halb verdeckt waren. Er öffnete ein wenig seine Kiefer, und man konnte für einen Moment eine rosige Zunge und zwei Reihen spitzer kleiner Zähne sehen. Dann glitt er näher.
Niemand sonst war nahe genug, um zu helfen. Weder Niamh noch ihr zitternder Galan waren bewaffnet. Ich hatte ein Schwert, also war es an mir, die Initiative zu ergreifen.
Der monströse Leguan verharrte wieder bewegungslos, aber ich sah die Muskeln unter seiner scharlachroten Haut zucken und hatte das ungute Gefühl, daß er im
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