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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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was die Erde an exklusiven Abenteuern zu bieten hatte, denn hier verband sich berauschende Schönheit mit der Waghalsigkeit kühner Manöver in luftiger Höhe. Wir schössen breite Lichtbahnen wie aus glühender Jade aufwärts, kreuzten in halsbrecherischem Zickzack durch Wolken aus goldenen Blättern, vorbei an knorrigen Ästen und Stämmen von gigantischen Dimensionen, glitten über gähnende Abgründe dämmerigen Grüns, drehten auf der Stelle, um uns die schwirrenden, glasig schimmernden Flügel, sausten in atemberaubender Fahrt hinauf zu den Wipfeln und darüber hinaus, begleitet vom Singen des Winds, um in dunstige Leere einzutauchen, die sich opalisierend bis zum Rand der Welt erstreckte.
    Hoch über uns schwebte die golden schimmernde Libellenkönigin mit ihrem bunt schillernden Gefolge, schoß hierhin und dorthin, schwenkte, sank und schoß von neuem in die Höhe, befangen in der Ekstase ihres Hochzeitstanzes. Als wir einige hundert Meter unter den Tanzenden schwebten und nicht weiter steigen konnten, war es einem der Freier, einem prachtvollen karmesinroten Exemplar mit amethystfarbenem Kopf, gelungen, die Königin vom übrigen Schwärm zu trennen. Nun umkreisten sie einander in enger werdenden Manövern von bizarrer Eleganz, bis sie einander berührten und sich plötzlich vereinigten. Strahlenden Göttern gleich, paarten sie sich in sonnendurchfluteter Höhe, sanken vereint durch den Himmel aus rauchiger Jade und tauchten ein in das grüngoldene Laubmeer der berghohen Bäume.
    Ich schwebte neben Niamh. Ihr Gesicht war von der Erregung der Jagd gerötet, in ihren Augen leuchtete Begeisterung. Und in diesem Moment begegneten unsere Blicke einander, und ihre jungfräuliche Seele lag nackt vor mir.
    Nur einen Moment lang, dann verhüllten seidige Wimpern die mädchenhafte Offenheit ihrer Sinnenfreude, und ihr herzförmiges Gesicht errötete tief.
    Aber in diesem Moment hatte ich sie geliebt, und sie wußte es.

8 . Der Kampf mit dem Drachen
    Nach der Jagd landeten wir auf dem Ast eines nahen Baums, um in der Form eines höfischen Picknicks zu Mittag zu spreisen. Es war einer der oberen Äste, nicht so gewaltig, wie sie in der Tiefe waren, aber immer noch umfangreich genug, daß man sich ohne Furcht auf ihm bewegen konnte. Seine Oberseite war ungefähr so breit wie eine gewöhnliche Landstraße. Außerdem war er knorrig und knotig, und die halbmetertiefen Rinnen der rauhen, dicken Borke boten nicht nur Sitzgelegenheiten, sondern auch vielfältigen Halt, wenn man sich auf dem Ast fortbewegen wollte. Es bedurfte schon einer bemerkenswerten Ungeschicklichkeit, um hier auszurutschen und abzustürzen – und die Laonesen waren gewandt wie Bergziegen, leichtfüßig und sicher und vor allem völlig schwindelfrei. Ein gähnender Abgrund vor ihren Füßen beunruhigte sie nicht im mindesten.
    Was ich von mir nicht behaupten konnte.
    Überall um uns waren Blätter in der Größe von Bettlaken, durchscheinende Riesenbogen gelbgrünen Pergaments, die das Sonnenlicht zu einer traumhaften grüngoldenen Dämmerung filterten. Während Diener unsere Libellen an kleineren Ästen und Zweigen festmachten, packten Mitglieder der königlichen Leibwache die Satteltaschen aus und bereiteten das Essen – eine kalte Mahlzeit aus appetitlich hergerichteten Happen, eingelegten Früchten, scharfgewürztem kalten Braten, Pasteten und kleinen Mandelkuchen als Nachspeise. Der Durst wurde mit einem schäumenden, gegorenen Getränk gelöscht, das wie eine Mischung aus Sekt und dunklem Bier schmeckte.
    Wir aßen in kleinen Gruppen von zwei oder drei Personen, hier und dort scheinbar zwanglos über den Ast verstreut. Ich hatte die Ehre gehabt, während des Jagdausflugs an der Seite der Prinzessin zu sein; nun durfte ein anderer ihr Tischgenosse sein, ein träger, hochnäsiger und lispelnder junger Bursche von altem Adel und hohem Rang. Er und die Prinzessin zogen sich zu einer aufwärts gebogenen Krümmung des Asts zurück, begleitet von Niamhs Kammerzofe, die für den Nachschub von Essen und Trinken zu sorgen hatte. Ich konnte sie nicht mit eifersüchtigem Auge beobachten, wie ich es gern getan hätte, denn sie waren halb verdeckt hinter einem Blättervorhang; ich konnte nur dasitzen, innerlich kochend vor Wut, und mein Gehör anstrengen, um etwas von dem schlauen Gewisper des Jünglings aufzuschnappen. Aber ich hörte nicht, was er ihr zuflüsterte. Ich hörte nur ab und zu Niamhs glockenhelles Gelächter, das meinen Zorn und meine Eifersucht

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