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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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in mir aufkochten, schienen sich wie erstarrende Lava in meiner Kehle zu ballen.
    Sionas Augen, die ich so bewundert hatte, waren hart, eiskalt und sprühten Haß.
    »Wenn du es noch einmal wagen solltest, mich mit deinen ungeschickten Pfoten zu beschmutzen, du stinkende Ratte«, zischte sie mich an, »dann werde ich dich samt dieser tölpelhaften Schlampe auspeitschen lassen, daß euch die Haut in Streifen von den Rücken hängt.«
    Ich sagte nichts, aber ihr Ausbruch beruhigte mich irgendwie. Ich verschränkte die Arme auf der Brust und hielt ihren giftigen Blicken stand. Mein unvernünftiger Jähzorn legte sich. Niamh erhob sich schweigend und eilte in die Küche, um gleich darauf mit einem Wassereimer und einem Lappen zurückzukehren. Als sie niederkauerte und die Scherben aufzusammeln begann, holte Siona, noch immer keuchend vor Wut, mit dem Fuß aus und wollte dem Mädchen einen Tritt versetzen. Ich packte ihren Ellbogen und riß sie herum, daß der Tritt ins Leere ging.
    Die Jägerin stützte sich mit zitternder Hand auf die Tischkante und sah mich mit Augen wie Dolchen an.
    »Du wagst es, mich anzurühren?« schrie sie. »Das wirst du mir büßen!«
    »Ich bin ein Gast in deiner Halle«, sagte ich ruhig. »Und ein Gast ist auch meine Gefährtin. Wir haben das Gastrecht nicht verletzt, doch solltest du jemals wieder versuchen, meine Gefährtin aus irgendeinem Grund zu schlagen, werde ich dich nicht bloß anrühren, sondern ich werde die Peitsche auf deinem Rücken tanzen lassen, wie du es bei ihr tun wolltest.«
    Sionas Wut war schrecklich. Ihre schönen Augen weiteten sich zu flammenden Brunnen; ihr gebräuntes Gesicht wurde aschgrau; sie grub ihre weißen Zähne in die volle Unterlippe; ihre Hand flog hoch und schlug mir ins Gesicht. Es war nicht der schwächliche Schlag eines kraftlosen und ungeübten Mädchens, sondern eine umwerfende Maulschelle, hinter der die ganze Kraft ihres sehnigen jungen Körpers steckte, und wäre ich nicht darauf gefaßt gewesen, so hätte sie mich vielleicht rückwärts gegen den Tisch geworfen. Meine Ohren dröhnten, und mein Gesicht wurde taub, und obwohl ich es nicht sofort bemerkte, hatte der Ring an Sionas Hand meine Unterlippe aufgeschlagen. Blut rann mir übers Kinn.
    »Du – du – Ratte!«
    »Ratte oder nicht«, erwiderte ich gelassen. »Ich bin ein Gast in deiner Halle. Und wenn dies ein Beispiel deiner Gastfreundschaft sein soll, dann frage ich mich ernsthaft, ob wir in der Umarmung der Teufelsblume nicht besser aufgehoben waren, aus der du uns – vielleicht etwas voreilig – befreitest, als hier.«
    Eine harte Spitze berührte sanft die nackte Haut meiner Hüfte, direkt unter dem Rand des Harnischs, und die kalte Berührung des Metalls brachte mir plötzlich die große Gefahr zu Bewußtsein, in der Niamh und ich jetzt waren. Die schöne, ebenso selbstherrliche wie jähzornige junge Frau, deren Augen mich wütend und haßerfüllt musterten, war die Herrin dieser Bande von Ausgestoßenen, und unser beider Leben hing vielleicht an einem dünnen Faden. Siona war ohne weiteres imstande, uns beide auspeitschen oder totschlagen oder in die Wildnis hinauswerfen zu lassen, aus der sie uns gerettet hatte, was zum gleichen Resultat führen würde.
    Yurgon räusperte sich, bevor Siona weitersprechen konnte. Er stand an meiner Seite, und die Spitze seines langen Jagdmessers kitzelte meine Haut unter dem Harnisch.
    »Gastrecht ist Gastrecht«, bemerkte er in ruhigem, besänftigendem Ton, aber laut genug, daß alle ihn hören konnten. »Eine Entschuldigung könnte vielleicht dazu dienen, alle erhitzten Gemüter abzukühlen …«
    Sionas volle Lippen zuckten in einem stummen Knurren; und ebenso überraschend wie plötzlich füllten ihre Augen sich mit Tränen, und ihr Gesicht wurde von flammender Röte übergössen. Wortlos drehte sie sich um und verließ die Halle. An diesem Abend sah ich sie nicht wieder.
    Die Spannung löste sich. Ich hörte einige Seufzer, und ein paar Männer schmunzelten. Yurgon steckte sein Jagdmesser weg, grinste und machte eine Bewegung, als wolle er sich Schweiß von der Stirn wischen.
    »Einen Moment lang warst du dem Tod sehr nahe, Freundchen«, murmelte er.
    »Ich zweifle nicht daran«, sagte ich. »Und ich werde zusehen, daß ein solcher Auftritt nicht wieder vorkommt. Ich hoffe nur, daß sie das Mädchen in Zukunft zufrieden läßt.«
    Er nickte und klopfte mir auf die Schulter.
    »Es dürfte klug von dir sein, das zu tun«, pflichtete er mir bei.

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