Der grüne Stern
für uns zu finden, aber nach längerem Hin und Her und zahlreichen Anproben waren wir in der Tracht der Waldbewohner ausgestattet. Zu meinen Stiefeln, die noch in Ordnung waren, trug ich nun eine enganliegende grüne Hose aus einem Material, das wie grob gewebtes Leinen aussah, und über dem auffälligen Harnisch einen kurzen losen Umhang, der bis zum Gürtel reichte. Niamh steckte in einem etwas zu weiten Wams oder Überrock und einer Hose, die eine gute Nummer zu groß für sie war, aber sie hatte schöne weiche Stiefel und einen grünen Hut, der keck auf ihrer seidigen Mähne saß.
Wir kehrten in die Halle zu den anderen zurück, und als ich umherblickte, entdeckte ich Sligon jenseits der Feuer stelle an einem der Tische, wo er verdrießlich von dem Kräutertee schlürfte, den es zum Frühstück gegeben hatte. Mein Zorn über sein Verhalten war längst verraucht, und ich wäre bereitwillig hingegangen, um den Bruch zwischen ihm und mir mit ein paar freundlichen Worten und einer Erklärung meines guten Willens zu kitten, aber nach einem finsteren Blick in meine Richtung kehrte er mir ostentativ den Rücken zu. Damit wurde eine freundliche Annäherung zu einer mißlichen und riskanten Sache, mit der ich mir leicht eine böse Abfuhr einhandeln konnte, und ich ließ es lieber sein.
Offenbar nährte er einen Groll gegen mich. Mit einem bedauernden und etwas unbehaglichen Gefühl begriff ich, daß ich mir einen unversöhnlichen Feind gemacht hatte, einen Feind, der weder vergessen noch vergeben würde.
TEIL IV
Das Buch von Sligon dem Verr äter
16. Sionas Geheimnis
Unsere Position unter den Geächteten von Sionas Bande war anomal und wurde niemals genauer definiert. Wir waren nicht eigentlich Gefangene, denn man ließ uns viel Bewegungsfreiheit und es gab nur wenige ausdrückliche Verbote, die auf ein verständliches Sicherheitsbedürfnis zurückgingen.
Wir waren aber auch nicht Gäste im eigentlichen Sinn, denn es wurde von uns erwartet, daß wir uns an der anfallenden Arbeit beteiligten. Niamh mußte mit den anderen Frauen das Feuer in Gang halten, saubermachen, Essen zubereiten und Wasser tragen, und ich hatte Holz zu sammeln, an Waffenübungen teilzunehmen und am Tor Wache zu schieben. Wir unterstanden beide dem Befehl Yurgons, der Sionas Leutnant und rechte Hand war, und ohne dessen Tüchtigkeit und Loyalität manches anders ausgesehen hätte.
Andererseits konnten wir kaum als neue Rekruten oder Anwärter betrachtet werden, denn wir hatten weder um Aufnahme in die Bande nachgesucht, noch hatte man uns aufgefordert, es zu tun.
Einstweilen schien es am einfachsten und klügsten, zu tun, was von uns verlangt wurde, ohne Fragen zu stellen, Proteste zu äußern oder in irgendeiner Weise unnötige Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Die Frage, ob man uns erlaube, unsere Reise nach Phaolon fortzusetzen, wurde nicht zur Diskussion gestellt. Ohne die aktive Hilfe der Geächteten wäre es uns unmöglich gewesen, obwohl mir mehrmals der Gedanke kam, daß wir mit Leichtigkeit aus dem Stützpunkt der Bande fliehen könnten, waren wir doch niemals unter direkter Bewachung und konnten uns in der Umgebung nach Belieben bewegen.
Ich weiß nicht, ob Yurgon und seine Kameraden uns als Gefangene oder Geiseln oder was auch immer ansahen, Tatsache war, daß sie es offenbar nicht für nötig hielten, uns unter Bewachung zu stellen. Wir hatten keine Ahnung, wo wir waren und in welcher Richtung Phaolon lag, und ohne Informationen oder die Hilfe der Bande hätten wir uns schon nach kurzer Zeit hoffnungslos verirrt. Es wäre also einfältig gewesen, einen Fluchtversuch zu machen.
Die mir zugewiesenen Arbeiten machten mir nichts aus, und ich war froh über jede Art von körperlicher Betätigung. Ein paar Stunden Wachdienst am Abend oder in der Nacht waren keine große Last, und ich fand Gefallen an der rauhen, männlichen Kameradschaft der Wachen, die sich angenehm von den lauen und förmlichen Beziehungen unterschied, wie ich sie am Hof der Prinzessin von Phaolon kennengelernt hatte.
Für Niamh mußte das Leben unter den Geächteten von Sionas Bande allerdings sehr anstrengend sein, obwohl sie nie ein Wort der Klage äußerte. Siona hatte ihr – was ich ganz natürlich fand – allgemeine Haushaltpflichten zugewiesen, die sie mit den übrigen unverheirateten Frauen und jungen Mädchen des Höhlendorfs teilte. Wenn sie helfen mußte, die Mahlzeiten zu kochen und zu servieren, die Küche zu säubern oder Geschirr zu spülen, so
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