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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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konnte ihr das nicht schaden; für eine Prinzessin mochten dies sogar recht nützliche Erfahrungen sein.
    Ich dachte mir nicht viel dabei. Es kam mir nicht in den Sinn, daß Niamh für besonders anstrengende oder schmutzige Arbeiten herangezogen werden könnte, denn alle Frauen, die an ihrer Seite arbeiteten, hatten die gleichen Aufgaben. Wie auch immer, die verzärtelt aufgewachsene Prinzessin war nie gewohnt gewesen, auch nur die geringste Haushaltarbeit zu verrichten. Sie hatte ihr Leben in größtem Luxus verbracht, ständig umgeben von Kammerzofen und Dienerinnen jeglicher Art, und die mühseligen und einfachen Arbeiten, die ihr nun zufielen, mußten für sie eine harte Plage sein. Dazu kam, daß sie mit den anderen Mädchen wenig gemeinsam hatte, und es dauerte nicht lange, bis die letzteren dies an ihrer Schweigsamkeit und der mädchenhaften Zurückhaltung ihrer Ausdrucksweise merkten, die den derben und vulgären, mit Flüchen und unanständigen Witzen gespickten Umgangsformen im Dorf sehr unähnlich war.
    Aber selbst mir, in meiner Unwissenheit, wurde bald klar, daß in der Art und Weise, wie Niamh von den anderen Mädchen behandelt wurde, eine Veränderung eintrat – trotz der Tatsache, daß ihr nie ein Wort der Klage über die Lippen kam, wenn sie mit mir zusammen war.
    Besonders fiel mir auf, daß sie während der Mahlzeiten immer seltener mit mir aß, weil sie als Serviermädchen eingeteilt wurde und an den Tischen zu bedienen hatte. Anfangs schien mir dies keines Kommentars wert, denn ich nahm als selbstverständlich an, daß die Mädchen reihum in regelmäßigen Abständen für das Servieren eingeteilt wurden. Aber Niamh wurde ständig eingeteilt, und allmählich wurde mir klar, daß die Arbeit an den Tischen als eine Art Strafe für sie gedacht war.
    Diese Erkenntnis kam zum Durchbruch, als ich bemerkte, daß sie immer mehr zu persönlichen Serviererin für Siona wurde, und daß die Jägerin keine Gelegenheit ausließ, sie wegen irgendwelcher Lappalien oder Ungeschicklichkeiten scharf anzufahren. Diese Schelte pflegte sie laut vor der ganzen Mannschaft auf das Mädchen niedergehen zu lassen, als wollte sie Niamh vor den anderen Frauen und Mädchen erniedrigen und beschämen. Mir wurde klar, daß Siona die zarte Prinzessin der Juwelenstadt vorsätzlich demütigte und beleidigte.
    An einem Abend hatte Niamh zwei ermüdende heiße Stunden lang den Bratspieß gedreht, an dem unser Fleisch über kleinem Feuer gegart wurde. Diese unbeliebte Arbeit blieb gewöhnlich denjenigen Mädchen vorbehalten, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen und dafür bestraft wurden. Wenn von dem brutzelnden Fleisch Fett ins Feuer tropfte, bekam das Mädchen am Bratspieß regelmäßig etwas davon ab, und Niamh ging es natürlich nicht anders.
    Während sie auf Sionas Befehl Wein einschenkte, rutschte Niamh der Weinkrug zwischen den fettigen Händen, und etwas von dem Wein schwappte auf den Tisch und über Sionas Kleider. Die Amazone sprang mit einem Kreischen auf, beschimpfte Niamh und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige, die das Mädchen von den Füßen riß.
    Der Weinkrug flog aus Niamhs Händen und zerschellte auf dem Boden, was die Jägerin noch mehr erboste. Sie riß eine geflochtene Reitpeitsche aus dem Gürtel und ließ sie auf die schmalen Schultern der unglücklich zwischen Scherben und vergossenem Wein kauernden Niamh klatschen.
    Ich sprang auf und war mit zwei Sätzen bei Siona, packte ihr Handgelenk, entriß ihr die Peitsche und warf sie fort.
    Siona wandte sich langsam zu mir um, ein gefährliches Glitzern in den Augen. Sie rang vor Erregung nach Luft. Niamh kauerte immer noch vor ihr in der Weinpfütze und war so verängstigt, daß sie keine Bewegung wagte, nicht einmal aufblickte. Sionas Peitsche hatte einen roten Streifen hinterlassen, der sich von einer bloßen Schulter zur anderen zog, unterbrochen nur an den zwei Stellen, wo die Träger ihres grobleinenen Arbeitskittels die Haut schützten. Einen Moment lang schien die Zeit stillzustehn, keiner von uns sprach ein Wort, und auch in der Halle war es still geworden. Die Esser an den Tischen starrten entsetzt auf die Szene. Ich konnte Sionas keuchenden Atem hören, und irgendwo in meinem Gehirn begann sich die Frage nach den möglichen Folgen zu regen.
    Langsam ließ der Druck meiner Finger nach und gab Sionas Hand frei. Erst jetzt merkte ich, daß auch ich schwer atmete und daß der Zorn meine Sicht trübte. Ich brachte nichts heraus; die Worte, die

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