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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mischte; schon fing jedoch der Morgendunst an sich zu lösen und die bisher bleierne Sonnenscheibe schmückte sich bereits mit ihren goldenen Tinten. Alles versprach einen schönen Tag.
    Nachdem ihr Reisegepäck an Bord gebracht war, schifften sich Miß Campbell und ihre Begleiter sofort ein.
    Eben jetzt sandte die Deckglocke etwaigen Nachzüglern das dritte und letzte Zeichen zu. Dann stellte der Mechaniker die Maschine an, die einmal vor-und dann nach rückwärts rotirenden Schaufelräder wirbelten mächtige gelbliche Wellen auf, ein langer Pfiff, die Taue am Lande wurden losgeworfen und die »Columbia« glitt bald in dem breiten Strome dahin.
    Im Vereinigten Königreiche kommen Reisende schwer dazu, sich zu beklagen. Es sind lauter prächtige Boote, welche die Transportgesellschaften ihnen zur Verfügung stellen. Da gibt es keinen noch so beschränkten Wasserlauf, keinen so kleinen See oder engen Golf, der nicht tagtäglich von eleganten Dampfern durchfurcht würde. Es ist also gar nicht zu verwundern, daß der Clyde in dieser Beziehung besonders bevorzugt erscheint. Längs der Broomielaw-Street, an den Rampen des Dampfbootquais liegen auch, am Hek wie am Achter mit lebhaften Farben geschmückt, unter denen Gold und Zinnober um den Vorrang streiten, immer rauchend und fertig, viele Dampfer, um nach allen Richtungen abzugehen.
    Die »Columbia« machte keine Ausnahme von dieser Regel. Sehr lang, am Vordertheil sehr schlank gebaut, in der Wasserlinie sehr sein gehalten und versehen mit einer mächtigen Maschine, welche Schaufelräder von großem Durchmesser trieb, gehörte sie zu den schnellsten Schiffen des Hasens. Das Innere bot in den Salons, den Einzelcabinen und Speisesälen jeden erdenklichen Comfort; das Deck überragte ein geräumiges sogenanntes Spardeck mit Bänken und einzelnen, gar noch gepolsterten Sitzplätzen und – durch ein Zelt von Segelleinwand vor den Sonnenstrahlen geschützt – eine wirkliche, von zierlichem Bordgeländer umschlossene Terrasse, wo die Passagiere die freie Luft und die herrlichste Aussicht genossen.
    An Reisenden fehlte es nicht. Sie kamen fast von überall her, ebenso aus Schottland wie aus England. Der Monat August wird hier mit Vorliebe zu Ausflügen benützt, und unter diesen sind wiederum die längs des Clyde und nach den Hebriden vor Allen beliebt. Hier gab es Familien von erstaunlicher Kopfzahl, welche der Himmel offenbar besonders gesegnet hatte; muntere junge Mädchen, etwas ruhigere junge Leute und Kinder, welche schon an die kleinen Zufälligkeiten einer solchen Fahrt gewöhnt schienen; ferner Geistliche, die man überhaupt viele auf allen Dampfern antrifft, mit dem hohen Seidenhute auf dem Kopfe, dem langen schwarzen Ueberrocke mit Stehkragen und die weiße Cravatte über die Weste hängend; dazu mehrere Farmer mit schottischen Mützen, welche durch ihr Benehmen ein wenig an die schwerfälligen alten »Bonnet-Lairds« erinnerten, wie man sie noch vor sechzig Jahren sah; endlich ein halbes Dutzend Fremde, Deutsche, welche auch im Auslande eine gewisse nachdenkliche Würde bewahren, und zwei oder drei Franzosen, welche auch außerhalb Frankreichs die angeborene Liebenswürdigkeit nicht verläßt.
    Hätte Miß Campbell den meisten ihrer Landsleute geähnelt, welche sich, sobald sie an Bord gekommen sind, eine Ecke aufsuchen und während der ganzen Reise kein Sterbenswörtchen sprechen, so würde sie von den Ufern des Clyde nichts weiter gesehen haben, als was gerade, ohne den Kopf zu wenden, an ihren Augen vorüberzog. Sie aber liebte es umherzuspazieren, einmal nach dem Hinterdeck und dann wieder nach dem Vorderdeck des Dampfers zu gehen, und alle die Städte, Burgen, Dörfer und Weiler zu betrachten, mit welchen das Uferland in ununterbrochener Reihe besäet ist. Das hatte die nothwendige Folge, daß die Brüder Melvill, welche sie auf Schritt und Tritt begleiteten, ihr Rede und Antwort standen ihre Bemerkungen bestätigten und ihre Beobachtungen zu wiederholen suchten, zwischen Glasgow und Oban keine Stunde der Ruhe finden konnten. Uebrigens dachten sie gar nicht daran, sich zu beklagen, weil das zu ihrer Function als Leibgarde ja gehörte, und sie unterzogen sich dem gleichsam instinctiv, während sie nur gelegentlich eine frische Prise austauschten, welche sie bei guter Laune erhielt.
    Frau Beß und Patridge, welche auf dem vordersten Theil des Spardecks Platz genommen hatten, plauderten vertraulich über vergangene Zeiten, über verschwundene Sitten und über die

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