Der grüne Strahl
Schätzchen« entspricht. Der vortrefflichen Hausverwalterin mißfiel es nicht im geringsten, sich von dem braven Schotten so nennen zu hören.
»Patridge, antwortete sie, ich vermuthe ganz wie Sie, daß dieser Einfall der Miß Campbell, der ihr über Nacht gekommen sein muß, irgend einen geheimen Hintergedanken bergen möge.
– Welchen?
– O, wer weiß? Wenn nicht eine Ablehnung, so doch eine Hinausschiebung der Projecte ihrer Onkels.
– Wahrhaftig, erwiderte Patridge, ich begreife nicht, warum die Herren Melvill auf jenen Herrn Ursiclos so reinweg versessen sind. Ist denn das der rechte Mann für unser Fräulein?
– Halten Sie sich überzeugt, Patridge, entgegnete Frau Beß, daß sie ihn, wenn er ihr nur zur Hälfte gefällt, überhaupt nicht heiratet. Sie wird ihren beiden Onkels ein nettes rundes »Nein« sagen, küßt sie dabei auf die Wangen, und ihre beiden Onkels werden sofort höchlich erstaunt sein, wie sie an den Genannten nur je haben denken können, an ihn, dessen Anmaßungen mir auch keinesfalls gefallen.
– So wenig wie mir, Mavourneen!
– Sehen Sie, Patridge, Miß Campbell’s Herz gleicht ganz dieser Schublade, welche mit einem Sicherheitsschloß versehen ist. Sie allein hat den Schlüssel dazu, und um dieselbe zu öffnen, muß sie ihn herausgeben…
– Wenn man ihr denselben nicht wegnimmt, meinte Patridge zustimmend lächelnd.
– Das wird nicht geschehen, so lange sie ihn sich nicht nehmen lassen will, versicherte Frau Beß, und da soll der Wind mir doch meine Haube gleich nach dem Glockenthurm von St. Mungo entführen, wenn unser junges Fräulein jemals Herrn Ursiclos heiratet!
– Einen Südländer! rief Patridge, einen »Southern«, der, wenn er je in Schottland geboren ist, doch stets südlich des Tweed gelebt hat!«
Frau Beß schüttelte den Kopf. Die beiden Hochländer verstanden sich vollkommen. In ihren Augen bildeten die niedrigen Landestheile kaum ein Zubehör des alten Caledoniens, trotz aller Verträge der Union. Entschieden waren die Beiden keine Begünstiger des geplanten Ehebundes; sie erhofften für Miß Campbell eine bessere Partie. Wenn die vorliegende auch nach manchen Seiten passend erschien, so genügte sie ihnen doch noch nicht.
»Ach, Patridge, nahm Frau Beß wieder das Wort, die alten Gewohnheiten der Hochländer waren doch die besten, und ich glaube, daß die Heiraten, zufolge der Sitten der alten Clans, mehr Glück gewährt haben, als das heutzutage der Fall ist.
– Sie haben nur ein wahres Wort gesprochen, Mavourneen! antwortete Patridge ernsthaft. Jener Zeit wählte man etwas mehr unter Befragung des Herzens und weniger unter Befragung des Geldbeutels. Das Geld ist ja ganz gut, aber die Zuneigung ist doch noch besser und mehr werth.
– Ja wohl, Patridge, und außerdem hielt man auch darauf, sich kennen zu lernen, ehe man an den Altar trat. Erinnern Sie sich noch der Gepflogenheiten von der Messe zu Saint Olla in Kirkwall? Während ihrer ganzen Dauer, das heißt vom Anfang des August an, traten die jungen Leute zu Paaren zusammen und diese Paare nannte man »Bruder und Schwester vom 1. August«. Bruder und Schwester, bildete das nicht eine vortreffliche Vorschule, um später Mann und Frau zu werden? Doch dabei fällt mir ein, daß wir heute gerade den richtigen Tag haben, an dem die Messe von Saint Olla, welche Gott wieder in’s Leben rufen möge, eröffnet wurde.
– O könnte er Sie hören! antwortete Patridge. Auch Herr Sam und Sib selbst wären, wenn sie irgend einer anderen jungen Schottin zugesellt worden wären, dem allgemeinen Schicksale nicht entgangen, und Miß Campbell würde jetzt in ihrer Familie zwei Tanten mehr zählen.
– Das geb’ ich gerne zu, Patridge, bestätigte Frau Beß, aber nun stellen Sie sich einmal vor, heute Miß Campbell dem Herrn Ursiclos zuzutheilen, da flösse doch gleich der Clyde von Helensburgh bis Glasgow stromaufwärts, wenn diese Verbindung nicht binnen acht Tagen aus den Fugen ginge!«
Ohne die Unzuträglichkeiten hervorzuheben, welche jene jetzt übrigens verschwundenen, den Geschwistern von Kirkwall zugestandenen Vertraulichkeiten mit sich führen konnten, müssen wir doch damit übereinstimmen, daß die Thatsachen der Frau Beß unzweifelhaft Recht gegeben hätten.
Wie dem auch sei, Messen sind um der Geschäfte, nicht um der Heiraten willen da. Wir müssen also Frau Beß und Patridge ihrer Trauer überlassen, obwohl die Beiden trotz ihres Plauderns keine Minute versäumten.
Die Abreise war
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