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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Bruder Sam.
    – Und deren Nichte, Miß Campbell,« setzte Helena hinzu, welche, um nicht ausgeschlossen zu bleiben, sich lieber gleich selbst vorstellte.
    Das war eine an den jungen Mann gerichtete Aufforderung, auch nun seinerseits Namen und Stand anzugeben.
    »Miß Campbell, meine Herren, sagte er sehr ernsthaft, ich könnte Ihnen antworten, daß ich mich »Fock« (Ausgangspflock beim Croquet) nenne, da ich von jener Kugel getroffen worden bin; in der That heiße ich ganz einfach Olivier Sinclair.
    – Herr Sinclair, begann da Miß Campbell, welche sich seine Antwort nicht so recht zu deuten wußte, noch einmal, gestatten Sie zum letzten Male, daß ich höflichst um Verzeihung bitte…
    – Und wir gleichfalls, fügten die Brüder Melvill hinzu.
    – Miß Campbell, erwiderte Olivier Sinclair, ich wiederhole Ihnen, daß die ganze Sache nicht »der Mühe werth ist. Ich suchte den Effect anlaufender Brandungswellen zu erhaschen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß Ihre Kugel, ganz wie der Schwamm, ich weiß nicht welchen Malers des Alterthums, den dieser auf seine Gemälde schleuderte, gerade die Wirkung hervorgebracht hat. die ich mit dem Pinsel vergeblich zu erzielen suchte.«
    Das wurde in so liebenswürdigem Tone gesprochen, daß Miß Campbell und die Brüder Melvill ein Lächeln nicht unterdrücken konnten.
    Hierbei wollen wir zu erwähnen nicht unterlassen, daß Aristobulos Ursiclos nicht mit gekommen war, um diesen Austausch von Entschuldigungen und Höflichkeiten mit anzuhören.
    Olivier Sinclair war übrigens bestimmt geschaffen, irgend welcher jungen blonden Tochter Schottlands mehr als bloße Sympathie einzuflößen. Sein eleganter Wuchs, sein offenes Gesicht mit dem männlichen Ausdruck, der ebenso energisch durch seine Züge, wie anderseits sanft durch sein Auge erschien, die natürliche Grazie seiner Bewegungen, das Vornehme seines Wesens, seine geläufige und geistvolle Redeweise, sein leichter Gang, das Lächeln seines Blickes – Alles vereinigte sich, ihm eine gewisse Anziehungskraft zu verleihen. Er war freilich viel zu wenig Geck, um darauf zu achten, oder er achtete absichtlich nicht darauf, da er keine Lust verspürte, sich zu binden.
    Wenn ihm der weibliche Clan von Auld-Reeky 1 nur Schmeichelhaftes nachrühmte, so gefiel er nicht minder seinen jugendlichen Genossen und Universitätsfreunden; nach einem hübschen gaëlischen Sprichworte gehörte er zu denen, »Welche nie einem Freunde, und nie einem Feinde den Rücken zukehren«.
    Heute, im Augenblicke jenes Angriffs, wendete er freilich Miß Campbell den Rücken zu. Miß Campbell dagegen war auch weder seine Feindin noch seine Freundin. In seiner Stellung, oder vielmehr, so wie er saß, hatte er die, von dem Schlägel des jungen Mädchens so unbedacht fortgetriebene Kugel natürlich nicht bemerken können. So kam es, daß das Geschoß mitten auf die Bildfläche platzte, und seine gesammten Malergeräthschaften über den Haufen warf.
    Miß Campbell hatte auf den ersten Blick den Helden von Corryvrekan wieder erkannt, der Held dagegen nicht die junge Reisende des »Glengarry«. Während der Weiterfahrt von der Insel Scarba bis Oban mochte er Miß Campbell kaum an Bord bemerkt haben. Hätte er geahnt, welch’ großen, persönlichen Antheil gerade sie an seiner Rettung gehabt, so würde er, wenn auch nur aus reiner Höflichkeit, unzweifelhaft seinen besonderen Dank abgestattet haben; das wußte er aber noch nicht, und sollte es wahrscheinlich niemals erfahren.
    Noch an jenem Tage verbot – ja, das ist das richtige Wort – verbot Miß Campbell ebenso ihren Oheimen, wie Frau Beß und Patridge, jenem jungen Manne gegenüber eine jede Anspielung auf die Vorgänge, welche sich auf dem »Glengarry« vor seiner Rettung abspielten.
    Nach dem Vorfalle mit der Kugel waren die Brüder Melvill, womöglich noch mehr erschrocken als ihre Nichte, dieser nachgeeilt, und brachten eben ihre persönlichen Entschuldigungen bei dem jungen Künstler an, als dieser sie mit den Worten unterbrach:
    »Mein Fräulein… meine Herren… Ich bitte Sie, glauben Sie, daß die ganze Sache der Mühe gar nicht werth ist.
    – Mein Herr, erwiderte Bruder Sib, nein, wir sind wirklich untröstlich…
    – Und wenn das Unglück unverbesserlich wäre, wie leider zu fürchten ist«… setzte Bruder Sam hinzu.
    Nach Beendigung der Partie hatte der junge Gelehrte, gereizt, seine theoretischen Kenntnisse mit der praktischen Fertigkeit nicht haben in’s Gleichgewicht setzen zu

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