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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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scherzte.
    »Herr Sinclair, nahm sie das Wort, der Grüne Strahl ist nicht mein ausschließliches Eigenthum; er leuchtet für alle Welt und wird nichts an seinem Werthe verlieren, wenn er sich mehreren Neugierigen auf einmal zeigt. Wir können also, wenn es Ihnen recht ist, versuchen, ihn zusammen zu sehen.
    – Mit großem Vergnügen, Miß Campbell.
    – Doch es gehört ein wenig Geduld dazu.
    – Daran soll’s nicht fehlen…
    – Und man darf nicht davor zurückschrecken, sich Augenschmerzen zuzuziehen, warf Bruder Sam ein.
    – Der Grüne Strahl ist es schon werth, das um seinetwillen zu riskiren, versicherte Olivier Sinclair, und ich sage Ihnen, daß ich Oban nicht verlassen werde, ohne ihn gesehen zu haben.
    – Wir haben uns schon einmal, sagte Miß Campbell, nach der Insel Seil begeben, um diesen Strahl zu beobachten, aber gerade in dem Augenblick, wo die Sonne versank, verhüllte sie eine kleine, am Horizont hinziehende Wolke.
    – Das war ja fatal!
    – Gewiß, höchst fatal, Herr Sinclair, denn seit jenem Tage haben wir noch nicht hinreichend reinen Himmel gehabt.
    – Der wird wohl nicht ausbleiben, Miß Campbell, der Sommer hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen, und vor Eintritt der schlechten Jahreszeit, glauben Sie mir, wird die Sonne uns auch noch mit dem Almosen ihres Grünen Strahls bedenken.
    – Um Ihnen Alles zu gestehen, Herr Sinclair, fuhr Miß Campbell fort, hätten wir ihn am Abend des zweiten August am Horizont des Corryvrekan gewiß wahrnehmen können, wenn unsere Aufmerksamkeit nicht durch eine gewisse Rettung abgelenkt worden wäre, an der…
    – Wie, Miß Campbell, fiel ihr Olivier Sinclair in’s Wort, ich wäre der Unglücksvogel gewesen, der ihre Augen in so entscheidendem Momente abgezogen hätte, meine Unbesonnenheit hätte Ihnen den Grünen Strahl gekostet! Dann bin ich Ihnen ja schuldig, Sie um Verzeihung zu bitten, und das thue ich hiermit unter größtem Bedauern meines ungeschickten Dazwischentretens. Das soll mir nicht wieder vorkommen!«
    Man plauderte noch von Dem und Jenem auf dem Rückwege nach dem Caledonian-Hôtel, in dem auch Olivier Sinclair, nach Beendigung eines Ausflugs in die Umgebung von Dalmaly, abgetreten war. Der junge Mann, dessen freimüthiges Wesen und mittheilsame Heiterkeit den beiden Brüdern keineswegs mißfiel, wurde gelegentlich veranlaßt, von Edinburgh und seinem Onkel, dem Oberrichter Patrick Oldimer, zu sprechen. Da stellte sich heraus, daß die Brüder Melvill mit dem Oberrichter Oldimer mehrere Jahre bekannt gewesen waren. Zwischen den beiden Familien bestand damals ein ziemlich vertraulicher Verkehr, den nur die spätere örtliche Trennung unterbrochen hatte. Man war also eigentlich schon mit einander bekannt, und Olivier Sinclair wurde von den Brüdern Melvill aufgefordert, diese Verbindung fortzusetzen. Da dieser nun keinerlei Ursache hatte, sein Künstlerzelt anderswo als in Oban aufzuschlagen, so erklärte er sich mehr als je vorher entschlossen, hier zu bleiben, um an den Nachforschungen nach dem Grünen Strahle theilzunehmen.
    Miß Campbell, die Brüder Melvill und er begegneten sich während der folgenden Tage häufig auf dem Strand von Oban. Sie prüften zusammen, ob der Zustand der Atmosphäre sich endlich günstiger gestalte. Zehnmal des Tages wurde das Barometer gefragt, das manchmal einige Neigung zu steigen bemerken ließ. In der That überschritt das liebenswürdige Instrument am Morgen des 14. August siebenunddreißigsiebenzehntel Zoll. – Mit welcher Befriedigung überbrachte Olivier Sinclair an diesem Tage die freudige Nachricht! Ein Himmel so rein wie das Auge einer Madonna; ein Azur, der nach und nach alle Schattirungen zwischen Indigo und Ultramarin durchlief. Nicht eine Spur hygrometrischen Dunstes in der Luft, die Aussicht auf einen herrlichen Abend und einen Sonnenuntergang, der jeden Astronomen einer Sternwarte entzückt hätte.
    »Wenn wir bei Sonnenuntergang unseren Grünen Strahl heut’ nicht sehen, behauptete Olivier Sinclair, so müßten wir eben blind sein.
    – Ihr hört, liebe Onkels, sagte Miß Campbell, es gilt heute Abend!«
    Man kam also dahin überein, vor dem Abendessen nach der Insel Seil zu fahren, und das geschah gegen fünf Uhr.
     

    Auf der pittoresken Straße von Glachan… (S. 96.)
     
    Auf der pittoresken Straße von Glachan führte die Kalesche Miß Campbell dahin, welche vor Freude strahlte, Olivier Sinclair, der diese Strahlen wiederspiegelte, und die Brüder Melvill, welche auch ihren

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