Der grüne Tod
sie unterwegs waren. Ihre Wurzeln drangen tief in das Kernholz des Hauptbaums ein und erstreckten sich beinahe vollständig über den eingeschlagenen Pfad.
»Stehen bleiben!« Coerlis hob eine Hand. Dankbar hielten seine Leute an und drängten sich im prasselnden Regen dicht aneinander.
Der Geschäftsmann trat näher an die Nebenpflanze heran. Der Schatten, den er wahrgenommen hatte, stellte sich als Hohlraum heraus, der sie auf ganzer Länge durchschnitt, ein durch Feuer oder Befall verursachter Tunnel. Oder aber, dachte er, durch das Zusammenwachsen zweier parasitärer Bäume, die sich schließlich miteinander verbunden und einen einzigen Stamm herausgebildet hatten. Doch was auch immer die Ursache für das Loch sein mochte, es war groß genug, um ihnen allen Schutz vor dem Regen zu bieten. Sogar Chaa würde aufrecht darin stehen können.
»Rein da«, befahl er knapp. Es bedurfte keiner weiteren Aufforderung.
»Sehen Siie.« Der Mu’Atahl richtete den Lichtkegel seiner Lampe auf den Boden und scharrte mit einem seiner dreieckigen Fußballen auf dem holzigen Grund. »Das Iinnere iist aufgrund des Wurzelwuchses etwas erhöht. Das Wasser läuft herum, aber niicht hiineiin.« Er legte den Kopf in den Nacken. »Auch diie Decke steiigt leiicht an. Wiir werden den Rest der Nacht sehr angenehm verbriingen.«
Rundle lehnte sich gegen die Innenwand der Höhle und ließ ein erleichtertes Seufzen vernehmen. »Herrlich geräumig und trocken.«
Peeler schaute sich den Unterschlupf derweil etwas genauer an. »Komischer Ort ist das hier. Sieht völlig unbeschädigt aus.«
»Was man von dir nicht sagen kann«, frotzelte der größere Mann. Peeler wollte schon etwas erwidern, runzelte dann jedoch die Stirn. »Hey, wo steckt eigentlich Aimee?«
»Hier bin ich.« Sie trat hinter ihm in die Höhle und schüttelte sich die Regentropfen vom Kragen. »Mir war nur einen Moment lang schwindelig.«
Coerlis schaute sie mit einem durchdringenden Blick an. »Wie viele Medikamente hast du genommen?«
»Ausreichend. Regen Sie sich ab, Jack-Jax, mir geht’s gut.«
»Und dir ist immer noch schlecht?«
»Nur ein bisschen. Es kommt und geht. Bin jedenfalls ganz froh darüber, dass Sie beschlossen haben, den Rest der Nacht hier zu kampieren.«
Der Geschäftsmann machte ein resigniertes Gesicht. »Es hat nicht viel Sinn, den Abstand zu ihm zu verkürzen, wenn dabei die Hälfte von uns schlappmacht.« Er setzte sich hin, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Höhlenwand und kramte ein Nahrungspäckchen hervor. Peeler hockte sich dicht neben ihn, während der völlig erschöpfte Rundle sich der Länge nach auf dem verführerisch trockenen Boden ausstreckte. Chaa verdrehte wohlig den Hals, um seinen Schädel auf der Schulter abzulegen.
»Hey!« In dem Versuch, ihrer Übelkeit Herr zu werden, hatte die Ingenieurin den Kopf in den Nacken gelegt. »Da oben bewegt sich was.« Sie hob eine Hand und zeigte zur Decke.
Der Lichtstrahl von Coerlis’ Einsatzlampe schnellte hoch. Tatsächlich befanden sich dort drei, vier, vielleicht ein Dutzend winziger Kreaturen. Jede von ihnen klein genug, um in seine Handfläche zu passen, klebten die flauschig-braunen Geschöpfe in der Spitze der kegelförmigen Höhle. Ihre platten, gutmütigen Gesichter waren von schimmernden, streifenförmigen schwarzen Hornpanzern bedeckt. Ein einzelnes Horn, das aus jeder Stirn hervorwuchs, wurde von einem Paar kugelrunder Augen flankiert, während sich direkt darunter und ein wenig vorgelagert ein drittes befand. Jedes Auge war in der Lage, sich unabhängig von den übrigen in eine andere Richtung zu bewegen. Ein verwirrender Anblick.
Die grauen Schnauzen ragten wie Strohhalme zwischen zwei Hornstreifen am Kopf hervor. Die Kreaturen besaßen keine sichtbaren Zähne und baumelten an sechs Stummelbeinchen von der Unterschlupfdecke herab. Jeder Fuß hing an in einem wenig bedrohlichen, jedoch offenkundig praktischen Haken.
»Beeiindruckende sekundäre Geschlechtsmerkmale«, bemerkte Chaa mit Blick auf die auffallenden Hörner. »Oder viielleiicht diienen siie auch der Verteiidiigung.«
»Das hier scheint wohl ihr Schlafplatz zu sein.« Gleichmütig ließ sich Coerlis wieder gegen die Höhlenwand sinken und versuchte, die bequemste Stelle zu finden. »Ich glaube nicht, dass es ihnen etwas ausmacht, ihn mit uns zu teilen.«
Als Peeler nervös seine Einsatzlampe direkt auf sie richtete, wich der Haufen brauner Gestalten geschlossen zurück und formierte sich in kollektiver
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