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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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ein Haus lieben konnte, vielleicht sogar mehr. Sie liebte es wie einen Menschen und ließ es zurück wie einen lieben Freund, mit dem sie nie wieder sprechen könnte.
    Sie schwiegen in der Dunkelheit auf den menschenleeren Straßen am Meer. Der Fahrer versuchte, dieses Schweigen, an dem auch er beteiligt war, zu verkürzen, indem er das Tempolimit geflissentlich missachtete und Ampeln bei Rot überfuhr.
    Als sie bei seiner Unterkunft angekommen waren, blieb Sigríður im Auto, doch Una wollte dieses Apartment sehen. Sie trat vor ihm ein, ging direkt zum Wohnzimmerfenster und zog die Vorhänge auf. Er eilte zu ihr hin, als bestünde die Gefahr, dass sie sich vor der Aussicht auf die Tankstelle und das unruhige Meer in nichts auflösen würde.
    Das ist ein Zufall, sagte er, noch einer. Meine Sekretärin bestellt immer die Unterkünfte für mich. Und ich habe da unten gestern Abend ein Würstchen gegessen, mit allen Zutaten außer rohen Zwiebeln. Das war aber kein Zufall.
    Una lächelte bezaubernd. Das war das Lächeln Nummer zwei nach der neuen Zeitrechnung, die mit dem ersten in der Diele von Sigríður angefangen hatte – das Lächeln, das die Pforten des Himmels aufgestoßen, Wolkentürme beiseitegefegt und Nebelschwaden aufgelöst hatte.
    Er sah hingerissen auf ein langes Lächeln, das immer noch um ihr Gesicht spielte, auch wenn es formal gesehen vorüber war, und fragte dann: Bist du auch manchmal zu dieser Tankstelle gegangen?
    Verrat ich dir nicht, sagte sie, jetzt mit ihrem verschmitzten Lächeln, das von so kurzer Dauer war, dass man es eigentlich erst im Nachhinein wahrnahm.
    Sie begann, seine Sachen zusammenzulegen und in den Koffer zu packen. Er beeilte sich, den schwarzen Pyjama in seiner Laptop-Tasche verschwinden zu lassen, den sollte sie nicht anfassen müssen. Ein schwarzer Pyjama, hatte der nicht etwas Playboyhaftes? Konnte es sein, dass die Liebhaberinnen ihn für einen Schürzenjäger hielten? Konnte es sein, dass Una ihn für einen Schürzenjäger halten würde, wenn sie von all diesen Frauen wüsste?
    Er sah auf die geschlossene Laptop-Tasche mit dem schwarzen Pyjama und nahm sich vor, Una nie etwas über die Liebhaberinnen zu erzählen, höchstens, dass es da ganz seltene Male die ein oder andere Frau gegeben hatte. Gleichzeitig wurde ihm klar, erst jetzt, jetzt endlich, dass Lotta ihm eine ständige Geliebte ersetzt hatte. Sie hatte es ihm leichtgemacht, allein zu sein; sie hatte sich um ihn gekümmert wie eine gute Geliebte. Sie hätte ihm sogar auch nur zu gern die Hemden gebügelt, wenn er da nicht eine Grenze gezogen und sie standhaft selber in die Wäscherei gebracht und abgeholt hätte.
    Una stand nun wieder beim Fenster, und er ging zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm. Sie legte den Kopf an seine Schulter, und so standen sie beide Seite an Seite und blickten auf die Tankstelle, genau wie sie es an jenem Abend getan hatten, allerdings mit einer anderen Perspektive – an jenem Abend vor langer Zeit, aus dem noch einige mehr wurden.
    Ich kann es nicht glauben, sagte sie.
    Es wird sich aber zeigen, dass es wahr ist, sagte er.
    Er sehnte sich danach, sie zu küssen, aber er war sich nicht sicher, ob es der richtige Moment war. Deswegen ließ er es bleiben und nahm stattdessen ihre Hand in seine beiden.
    Ich erinnere mich, sagte sie.
    Und das stimmte – wenn ihr früher kalt an den Händen gewesen war, hatte er sie immer lange und so behutsam gewärmt, als seien sie aus eierschalendünnem Porzellan.
    Hand in Hand gingen sie zum Aufzug und fuhren sechs Stockwerke hinunter, als wären sie an den Oberarmen zusammengewachsen, wobei Karl mit dem Gepäck in der anderen Hand Schlagseite hatte. Als sie zum Auto kamen, war Sigríður eingeschlafen. Und Una nickte schon auf der Ausfallstraße nach Breiðholt für kurze Zeit ein und sah überhaupt nicht danach aus, als würde sie in ihrem Pyjamaoberteil entführt.
    Karl durfte seine Augen nicht von der Straße abwenden, denn stellenweise war Glatteis. An einer roten Ampel riskierte er einen Blick auf Una. Sie lächelte ihr bezauberndes Lächeln und legte ihre Hand federleicht auf die seine. Unterwegs zum Flughafen nickte sie abwechselnd ein und wachte auf, die Hauptperson auf einer nervenaufreibenden Reise.
    Möchtest du nach Westen oder in den Süden?, fragte Karl, als sie die Abzweigung nach Grindavík passierten.
    Vielleicht sollten wir im Süden beginnen, sagte sie. Die Flugzeuge in den Westen fliegen doch erst heute Nachmittag.
    Ganz

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