Der gute Liebhaber
richtig. Aber wir könnten trotzdem schon jetzt losfliegen und irgendwo einen Zwischenstopp machen, beispielsweise in London.
Nach Süden ins schöne Wetter, ja?, sagte sie.
Nach Süden ins Paradies, sagte er. Dort blühen schon die Mandelbäume und die Kirschbäume.
Traumhaft, sagte sie.
Dann fliegen wir in den Traum hinein, nach Marseille, mit Zwischenlandung in Paris, sagte er.
Geht denn heute überhaupt ein Flug nach Paris?, fragte sie.
Wir reisen in den Süden, sagte er. Im Zweifelsfall über eine andere Stadt.
Und Geld ist kein Problem?
Kein Problem, sagte er.
Una brach in Tränen aus, als sie sich von Sigríður verabschiedete. Karl hatte keine Ahnung, was er zur Saunafrau sagen sollte. Schließlich sagte er: Ich werde dir nie genug danken können. Und dann gab er ihr einen Kuss auf die Wange, die genauso teigig war wie die ganze Person. Er musste sich zusammenreißen, um sich nicht vor ihren Augen den Mund abzuwischen.
Von diesem teigigen Kuss an, mit dem er sich von Sigríður verabschiedete, war Karl Ástuson auf der ganzen Reise nach Paris in einem Bewusstseinszustand, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Er war wie im Halbschlaf, aber dennoch so präsent, dass er alles bis ins kleinste Detail präzise und richtig machte. Wie beispielsweise, Una in angemessener Entfernung warten zu lassen, während er die Tickets kaufte (nichts von entscheidender Bedeutung, aber Vorsicht war angebracht, falls die Frau am Fahrkartenschalter Una kennen sollte). Er ließ sie auch vor dem Geschäft warten, als er etwas zum Anziehen für sie kaufte. Es wäre zu auffällig gewesen, in einer Pyjamajacke daherzukommen und Kleider anzuprobieren. Und er stellte seine Kompetenz sachkundig unter Beweis, fand in Rekordzeit einen hellen Rock und einen roten Pullover, Größe zweiundvierzig, eine Nummer größer als früher.
Während Una zur Toilette ging, um sich umzuziehen, war Karl trotz seines Schlafwandlerzustands so konzentriert, dass er nicht vergaß, eine Flasche Lebertran zu kaufen. Und nicht genug damit, er besaß sogar die Geistesgegenwart, Lotta anzurufen. Er erwähnte aber nicht die Frau, die er im Schlepptau hatte, sondern erklärte nur, er sei auf dem Weg in den Süden und wolle Bescheid sagen, damit sie die Vorbereitungen im Haus in die Wege leiten konnte. Ankunft dort um vier Uhr Ortszeit. Für neun Uhr einen Tisch in der Goldenen Schwalbe bestellen, für eine Person, ja.
Als Una in tadellosem Aufzug von ihrer kleinen Expedition zurückkehrte, gestand Karl Ástuson ihr, dass Lebertran das einzige isländische Produkt sei, ohne das er nicht leben könne, selbstverständlich abgesehen von ihrer eigenen Person. Dafür wurde ihm wieder das verschmitzte Lächeln zuteil, und in dem Moment begann er zu glauben, dass aus der Reise mit Una Ernst werden würde – von nun an befürchtete er nicht mehr, sie würde kehrtmachen, womöglich noch am Flugsteig. Jetzt wusste er ganz sicher, dass sie mit ihm bis zum Ziel fliegen würde, nicht nur nach Paris, sondern bis in den Süden, wo er ein zweihundert Jahre altes Haus an einem Ort mit dreihundert Sonnentagen im Jahr besaß.
Am Gate angekommen, blieb ihnen noch eine halbe Stunde bis zum Abflug, und sie verfassten eine SMS an Ingi Bói.
Habe mich kurzfristig entschlossen, Urlaub zu machen. Mehr bald. Keine Sorge, U
.
Sie blickte hoch, als sie die Nachricht abgeschickt hatte, und sagte: Der Ärmste.
Du
Ärmste, sagte Karl. Du hast Besseres verdient als einen bulligen Ehemann.
Una sah ihn an, als würde ihr ein Licht aufgehen. War ihr diese Selbstverständlichkeit wirklich nie in den Sinn gekommen? Dass sie etwas Besseres verdient hatte als einen Ehemann, der sie einengte? Nein, Selbstverständlichkeiten fielen den Betroffenen immer zuletzt oder gar nicht ein. Das wusste er nur zu gut.
Als sie sich im Flugzeug auf ihre Plätze gesetzt hatten, wusste Karl nicht genau, welchen Eindruck er auf Una machte, aber so viel stand fest, sie sah nicht aus wie eine Frau, die aus heiterem Himmel ein neues Leben beginnt, eine Bevorzugte mit Glücksgarantie, sondern wie eine schläfrige Frau an der Seite eines zufälligen Bekannten in der Maschine nach Paris, die vergessen hatte, sich zu kämmen.
Karl hätte sie gerne gefragt, wie sie sich fühlte, aber er unterließ es lieber. Er durfte nicht lästig fallen. Er hatte nur zur Stelle zu sein und sich wie ein professioneller Guide um die Abwicklung der Reise und die Bedürfnisse der Passagiere zu kümmern und ihnen die Reise so
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