Der gute Mensch von Sezuan
sich zu Tode beißen in ihrer Gäulestadt! Ach, hier herauszukommen!
SHEN TE Aber ich habe den Alten ihr Geld zurückversprochen.
SUN Ja, das hast du mir gesagt. Und da du solche Dummheiten machst, ist es gut, daß dein Vetter kommt. Trink und überlaß das Geschäftliche uns! Wir erledigen das.
SHEN TE entsetzt: Aber mein Vetter kann nicht kommen!
SUN Was heißt das?
SHEN TE Er ist nicht mehr da.
SUN Und wie denkst du dir unsere Zukunft, willst du mir das sagen?
SHEN TE Ich dachte, du hast noch die 200 Silberdollar. Wir können sie morgen zurückgeben und den Tabak behalten, der viel mehr wert ist, und ihn zusammen vor der Zementfabrik verkaufen, weil wir die Halbjahresmiete ja nicht bezahlen können.
SUN Vergiß das! Vergiß das schnell, Schwester! Ich soll mich auf die Straße stellen und Tabak verramschen an die Zementarbeiter, ich, Yang Sun, der Flieger! Lieber bringe ich die 200 in einer Nacht durch, lieber schmeiße ich sie in den Fluß! Und dein Vetter kennt mich. Mit ihm habe ich ausgemacht, daß er die 300 zur Hochzeit bringt.
SHEN TE Mein Vetter kann nicht kommen.
SUN Und ich dachte, er kann nicht wegbleiben.
SHEN TE Wo ich bin, kann er nicht sein.
SUN Wie geheimnisvoll!
SHEN TE Sun, das mußt du wissen, er ist nicht dein Freund. Ich bin es, die dich liebt. Mein Vetter Shui Ta liebt niemand. Er ist mein Freund, aber er ist keines meiner Freunde Freund. Er war damit einverstanden, daß du das Geld der beiden Alten bekamst, weil er an die Fliegerstelle in Peking dachte. Aber er wird dir die 300 Silberdollar nicht zur Hochzeit bringen.
SUN Und warum nicht?
SHEN TE ihm in die Augen sehend: Er sagt, du hast nur ein Billett nach Peking gekauft.
SUN Ja, das war gestern, aber sieh her, was ich ihm heute zeigen kann! Er zieht zwei Zettel halb aus der Brusttasche. Die Alte braucht es nicht zu sehen. Das sind zwei Billette nach Peking, für mich und für dich. Meinst du noch, daß dein Vetter gegen die Heirat ist?
SHEN TE Nein. Die Stelle ist gut. Und meinen Laden habe ich nicht mehr.
SUN Deinetwegen habe ich die Möbel verkauft.
SHEN TE Sprich nicht weiter! Zeig mir nicht die Billette! Ich spüre eine zu große Furcht, ich könnte einfach mit dir gehen. Aber, Sun, ich kann dir die 300 Silberdollar nicht geben, denn was soll aus den beiden Alten werden?
SUN Was aus mir? Pause. Trink lieber! Oder gehörst du zu den Vorsichtigen? Ich mag keine vorsichtige Frau. Wenn ich trinke, fliege ich wieder. Und du, wenn du trinkst, dann verstehst du mich vielleicht möglicherweise.
SHEN TE Glaub nicht, ich verstehe dich nicht. Daß du fliegen willst, und ich kann dir nicht dazu helfen.
SUN »Hier ein Flugzeug, Geliebter, aber es hat nur einen Flügel!«
SHEN TE Sun, zu der Stelle in Peking können wir nicht ehrlich kommen. Darum brauche ich die 200 Silberdollar wieder, die du von mir bekommen hast. Gib sie mir gleich, Sun!
SUN »Gib sie mir gleich, Sun!« Von was redest du eigentlich? Bist du meine Frau oder nicht? Denn du verrätst mich, das weißt du doch? Zum Glück, auch zu dem deinen, kommt es nicht mehr auf dich an, da alles ausgemacht ist.
FRAU YANG eisig: Sun, bist du sicher, daß der Vetter der Braut kommt? Es könnte beinahe erscheinen, er hat etwas gegen diese Heirat, da er ausbleibt.
SUN Wo denkst du hin, Mama! Er und ich sind ein Herz und eine Seele. Ich werde die Tür weit aufmachen, damit er uns sofort findet, wenn er gelaufen kommt, seinem Freund Sun den Brautführer zu machen. Er geht zur Tür und stößt sie mit dem Fuß auf. Dann kehrt er, etwas schwankend, da er schon zu viel getrunken hat, zurück und setzt sich wieder zu Shen Te. Wir warten. Dein Vetter hat mehr Vernunft als du. Die Liebe, sagt er weise, gehört zur Existenz. Und, was wichtiger ist, er weiß, was es für dich bedeutet: keinen Laden mehr und auch keine Heirat!
Es wird gewartet.
FRAU YANG Jetzt!
Man hört Schritte und alle schauen nach der Tür. Aber die Schritte gehen vorüber.
DIE SHIN Es wird ein Skandal. Man kann es fühlen, man kann es riechen. Die Braut wartet auf die Hochzeit, aber der Bräutigam wartet auf den Herrn Vetter.
SUN Der Herr Vetter läßt sich Zeit.
SHEN TE leise: Oh, Sun!
SUN Hier zu sitzen mit den Billetten in der Tasche und eine Närrin daneben, die nicht rechnen kann! Und ich sehe den Tag kommen, wo du mir die Polizei ins Haus schickst, damit sie 200 Silberdollar abholt.
SHEN TE zum Publikum: Er ist schlecht und er will, daß auch ich schlecht sein soll. Hier bin ich, die ihn liebt, und
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