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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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habe.«

    Schlaf
Bett
Eukalyptus
    »Wer erinnert sich an Schlaf?«
    Alle Hände schnellen in die Höhe, außer der Jennifers; sie blickt sich zögernd um, hebt die Hand halb und lässt sie dann wieder auf ihren Schoß sinken.
    »Bett?«
    Wieder recken sich alle Hände in die Höhe.
    »Eukalyptus?« Sie lachen. Eric hebt mit einem sardonischen Grinsen die Hand.
    »Gut«, sagt der Psychologe. »An dieser Stelle habe ich ohne Schwierigkeiten in Ihren Köpfen – den feinsten Köpfen des Landes wohlgemerkt – eine falsche Erinnerung gesät. Das Wort Schlaf stand überhaupt nicht auf der Liste. Die Erinnerung an das Wort Schlaf wurde von Ihnen erfunden. Und das ist kein Zufall. Es geschah nicht, weil irgendetwas mit Ihren Köpfen nicht stimmt, sondern weil Ihr Gedächtnis normal, also schematisch und nicht wörtlich funktioniert und aus diesem Grund zu Vorurteilen, Verzerrungen und Misserfolgen neigt. Und was lernen wir nun daraus? Eric?«
    »Ahhh, ich bin mir nicht sicher. Aber Ihre Liste hat mich plötzlich müde gemacht.«
    »Ja«, sagt der Psychologe, »ja, ich bin auch müde. Was lernen wir daraus, Jennifer?«
    »Dass wir uns nicht auf unser Gedächtnis verlassen können?«
    »Richtig«, sagt er. »Ein Psychologe, der sich ausschließlich auf seine Erinnerung verlässt, leidet an Hybris und Selbsttäuschung; heutzutage weit verbreitet, gewiss, aber erschöpfend und unproduktiv nichtsdestotrotz.«

9
    D ie Vier-Uhr-Klientin sitzt vor ihm auf dem Sofa, beugt sich vor und kratzt sich am Knöchel. Sie hat ihr Haar zurückgebunden und trägt enge dunkle Jeans und eine schwarze Bluse mit tiefem Ausschnitt. Sie wühlt in ihrer Tasche und nimmt ein zerknittertes Blatt Papier heraus.
    »Hier sind Ihre Hausaufgaben«, sagt sie.
    »Ihre«, entgegnet er. »Ihre Hausaufgaben.« Er überfliegt das Papier. »Ich erkenne Fortschritte. Was haben Sie aus dieser Übung gelernt?«
    »Dass die Behandlung bei Ihnen anders verläuft als bei den Therapeuten im Film.«
    »Was haben Sie über die Angst gelernt?«
    »Dass es nicht das Ende der Welt bedeutet, wenn einem übel und schwindlig ist. Sagen Sie nur nicht, ich müsste das noch eine Woche länger durchhalten.«
    »Nein.« Er macht sich an seinem Schreibtisch zu schaffen, zieht eine Schublade auf, nimmt einen kleinen runden Handspiegel heraus und reicht ihn ihr. »Nehmen Sie den Spiegel, halten Sie ihn sich vors Gesicht und betrachten Sie Ihr Spiegelbild. Zwei Minuten, los.« Er beobachtet sie. Sie sitzt aufrecht da, ernsthaft, hält sich den Spiegel vors Gesicht. Als die zwei Minuten um sind, sagt er: »Die Gefühle, die Sie gerade empfunden haben, auf einer Skala von eins bis zehn, wie sehr ähneln sie den Gefühlen bei einer Panik?«
    »Sechs oder sieben«, sagt sie. »Ich hatte ein bisschen das Gefühl,
als schwebte ich außerhalb meines Körpers. Als wäre alles unwirklich. Es ist seltsam, dass das passiert, wenn man in den Spiegel schaut. Sie tricksen, Doktor.«
    »Wie groß ist die Angst?«
    »Fünf vielleicht, nicht wirklich Angst. Seltsam.«
    »In Ordnung.« Er nimmt ein sauberes Blatt von seinem Schreibtisch und reicht es ihr: »Dreimal täglich zwei Minuten vor dem Spiegel. Halten Sie den Blick stetig. Versuchen Sie, nicht zu blinzeln. Zeichnen Sie alles auf.«
    Sie stopft das Papier in ihre Tasche.
    »Mich interessiert, was das Strippen für Sie bedeutet, vom Geld einmal abgesehen«, sagt der Psychologe.
    »Ich weiß es nicht«, sagt sie.
    »Hier gibt es eine Regel«, sagt er. »Sie können von sich selbst nicht Ich weiß es nicht sagen. Ihr Tun und Ihre Gedanken sind Ihre, sie kommen von Ihnen, und Sie wissen immer etwas Wichtiges darüber. Und wenn nicht, raten Sie. Auch was Sie raten, kommt nicht aus dem Nichts, sondern aus Ihnen. Auch dabei handelt es sich um eine Form von Wissen.«
    Sie spielt mit ihren Fingern.
    »Macht«, sagt sie schließlich.
    »Macht.«
    Sie nickt: »Begehren in jedermanns Blick.«
    »Die Tatsache, dass alle Augen auf Ihnen ruhen, Sie begehren, verleiht Ihnen ein Gefühl von Macht?«
    »Nicht unbedingt mir.«
    »Wem dann?«
    »Ihr.«
    »Wer ist sie?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er beobachtet sie aufmerksam.

    »Ihre Regeln sind ärgerlich«, sagt sie mit einem schwachen Lächeln.
    Er wartet.
    »Sie sind der große Psychologe. Sie sind der Experte. Sie erklären. «
    Sie testet ihn. Hier sollte er abwarten, bis sie sich selbst durch ihre Schilderung oder das Versagen derselben offenbart, würden Anhänger des Wieners mahnen; doch etwas in ihm

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