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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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vielleicht fünf? Viele Mägen. Wir fuhren in seinem Truck an den Mastpferchen vorbei, und beim Anblick der Rinder sagte er: ›Schau mal, Steak, Steak!‹ Er lachte darüber …« Sie schluckt ein wenig. »Es gibt Orte, Indien zum Beispiel, wo man sie nicht berühren darf. Und hier schlachten wir sie, ohne einen Gedanken zu verschwenden. Aber ich bin Vegetarierin. Hier ist es eine Beleidigung, wenn man eine Kuh genannt wird. Eine Kuh. Alles, was sie sehen, ist das Fett, das Fleisch.«
    Sie hält einen Moment inne. Dann fährt sie fort: »Eine Kuh bedeutet für mich Kraft. Aber auch Hilflosigkeit. Eine Kuh kann sich nicht selbst verteidigen. Sie ist völlig ausgeliefert. Ist nicht schnell, hat weder Klauen noch Zähne, kein Gift, keine Flügel. Sie kann nicht auf einen Baum klettern. Sie kann nicht unter Wasser tauchen, sie kann nicht fliegen. Nur muh, muh …« Ihre Stimme senkt sich zu einem Flüstern: »Muh, muh.«
    Der Psychologe beobachtet sie schweigend. Hier ist es endlich, hinter dicken Make-up-Schichten und unsichtbaren inneren Narben verborgen, zwischen dem Unkraut ihres vernachlässigten inneren Gartens – ein Leben, das summt und
beobachtet. Unter der Haube verbirgt sich ein Motor, eingerostet möglicherweise, schlecht eingestellt, hustend nach langen Jahren der Vernachlässigung und undicht, und doch gibt es einen Motor, Pferdestärken, nicht nur einen Hohlraum, nicht nur einen besiegten Kadaver. Sein Herz regt sich für sie. Er beugt sich vor: »Sie sind auf dem Land aufgewachsen«, sagt er, »richtig? Nun, Ängste sind wie Feldmäuse. Niemand mag Mäuse, aber wenn Sie vor ihnen Reißaus nehmen, wenn Sie ihre Existenz verleugnen, vermehren sie sich nur, ruinieren die Ernte und den Garten und nehmen das Haus in Besitz. Sie müssen ihnen auf den Fersen bleiben und sie verjagen. Das Gleiche gilt für Ängste. Sie trainieren hier, zur Angstjägerin zu werden. Nicht zu einem Angstopfer. Nicht zu einer Beute der Angst.«
    »Angstjägerin«, murmelt sie.
    »Eine Angstjägerin. Und Sie können nicht lernen, eine effiziente Jägerin zu sein, ohne auf die Jagd zu gehen. Niemand lernt vom Reden, wie man jagt.«
    Er deutet mit der Hand auf den schwarzen Chefsessel. Sie nickt.
    »Wir machen nächste Woche weiter«, sagt er und steht auf, um sie hinauszugeleiten.
    Nachdem er sie hinausbegleitet hat, kehrt der Psychologe in sein Sprechzimmer zurück. Er lehnt sich in seinem Sessel zurück und blickt aus dem Fenster auf den Bürgersteig. Zwei kichernde Mädchen schlendern vorbei, auf dem Weg zu dem Café um die Ecke. Die eine ist schwarzhaarig und hat breite Hüften, die andere hat kurz geschnittenes Haar und einen jungenhaften Schritt. Sein Blick bleibt eine Weile an ihnen hängen, und für einen Augenblick überträgt sich ihre Leichtigkeit auch auf ihn. Er steht auf und nimmt die Akte der Vier-Uhr-Klientin aus der Schreibtischschublade. Er blättert darin. Dann nimmt
er sein Klemmbrett und wirft einen Blick auf die Notizen der letzten Sitzung. Er hat das Klemmbrett gerne auf dem Schoß liegen und notiert während jeder Sitzung kurze Kommentare und Zitate. Doch jetzt stellt er fest, dass er sich bei der letzten Sitzung bis auf die Worte Masturbation. Einkaufen. Kühe nichts notiert hat. Er ruft Nina an, um ihr das zu erzählen.
    »Du erkennst darin wahrscheinlich eine gewisse Poesie«, sagt sie trocken, »aber hast du je daran gedacht, diese Gewohnheit aufzugeben? Wenn es sich hier tatsächlich um das handelt, was du dabei hinkritzelst, wozu dann das Ganze? Und obendrein schafft das Klemmbrett auf deinem Schoß Distanz und suggeriert eine gewisse Formalität. Es bildet eine physikalische Barriere zwischen dir und dem Klienten. Das ist nicht gut.«
    »Diese Barriere existiert sowieso«, sagt er. »Das Klemmbrett verschafft ihr eine ordentliche, materielle Präsenz; es ist besser, wenn abstrakte Dinge einen konkreten, symbolischen Ausdruck finden. Das macht es den Menschen leichter.«
    »Das macht es dir leichter«, sagt sie.
    »Borderlinepatienten, die sich selbst verletzen«, sagt er, »tun das, um ihren amorphen Schmerz zu lokalisieren. Denk daran, wenn jemand auf See stirbt und wir die Leiche nicht finden können, suchen wir dennoch beharrlich weiter, als spielte das eine Rolle. Warum spielt es eine Rolle? Die Leiche verrottet schließlich ohnehin. Ich sage dir, weshalb: Die Leiche und das Grab sind die Verkörperungen einer abstrakten Vorstellung. Sie symbolisieren ein Gefühl. Genau dort sitzt der Schmerz. Genau

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