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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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doch die Worte strömen plötzlich von einer anderen Stelle aus ihm heraus: Wo sind Deine Finger Deine süßen Lippen die Innenseite Deiner Schenkel der Duft Deines Geheimnisses Dein verschattetes Geflüster das dunkle Tal in Deinem Rücken die Rippen Deines Brustkorbs komm her komm her. Er lehnt sich vom Tisch zurück. Atme, sagt er sich, atme ganz natürlich; deine Gefühle sind mit dir durchgegangen. Lass es zu, lass los. Du bist ein Mensch. Deine Gefühle sind in der Welt wie das Wetter. Wo sind deine Füße in diesem Moment?
    Sein Mund ist plötzlich ausgetrocknet, und er steht auf und geht in Richtung Küche. Als er über den abgedunkelten Flur läuft, spürt er eine schwache Präsenz in seinem Rücken, als ginge ein Kind hinter ihm. Ein unsichtbares Kind geht hinter ihm, macht mit seinen Füßchen größere Schritte in die Fußstapfen, die sich auf dem Teppich abzeichnen. Der Psychologe geht langsam durch das Wohnzimmer. Er blickt sich nicht um. Das Bild erfüllt ihn mit Freude und Schrecken. Das unsichtbare Kind folgt ihm schweigend.

15
    S eine Vier-Uhr-Klientin sitzt aufrecht auf dem Sofa, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände an den Knien ineinandergeflochten. »Ich hatte einen Traum«, sagt sie, »das hat etwas zu bedeuten, oder nicht?«
    »Bedeutet er etwas für Sie?«
    Sie spielt mit ihren Fingern. Ihre Pupillen weiten sich.
    »Ich habe von Stimmen geträumt«, sagt sie.
    »Stimmen.«
    »In meinem Traum gab es Stimmen, Echos. Nichts zu sehen, und ich war nirgends. Kein Licht, keine Dunkelheit, nur Stimmen.«
    »Was hatten Sie für ein Gefühl?«
    »Ein warmes Gefühl, wie wenn man ein Bad nimmt. Angenehm. «
    »Was haben die Stimmen gesagt?«
    »Nichts; es waren Stimmen, aber sie haben nicht gesprochen.«
    »Menschliche Stimmen?«
    »Ich glaube schon. Freundlich.«
    Er nickt. »Was, glauben Sie, bedeutet das?«
    »Sie sind der Arzt.« Sie greift nach ihrer Tasche, nimmt eine Zigarette heraus, spielt damit und steckt sie wieder zurück.
    »Ein körperloser Traum«, sagt er leise.
    »Körperlos?«
    »Stimmen ohne Gestalt. Sie haben in Ihrem Traum den Körper weggelassen.«

    »Vielleicht möchte ich sterben. Sie wissen ja, man sagt, der Körper sei nur ein vorläufiger Aufenthaltsort. Voller Schmerz. Vergänglich. Die Seele ist ewig …«
    »Darüber weiß ich nichts«, sagt der Psychologe, »aber wir wollen uns auf den Satz Vielleicht möchte ich sterben konzentrieren. Das ist eine problematische Behauptung.«
    »Über den Tod zu sprechen erschreckt die Menschen, besonders Ärzte«, sagt sie.
    »Das Problem liegt nicht im Inhalt, sondern in der Struktur.«
    »Vielleicht möchten Sie das in schlichten Worten erklären.«
    »Es ist ungenau zu sagen Ich möchte sterben, denn in einem Satz wie diesem bleibt als Echo im Gehirn das Ich haften als mein ganzes Ich. Und es ist offensichtlich, dass nicht Ihr ganzes Ich sterben möchte. Es ist besser, es so auszudrücken: Ein Teil von mir möchte sterben.«
    »Gequatsche. Was ist der Unterschied?«
    »Probieren Sie es aus. Sagen Sie: Ein Teil von mir möchte sterben.«
    »Ein Teil von mir möchte sterben.«
    »Ja, und dann gibt es da noch einen anderen Teil, was möchte der?«
    »Meine Tochter zurückgewinnen.«
    »Gut. Jetzt haben Sie die Situation so für sich geklärt, wie sie ist.«
    Sie schweigt.
    »Die Realität hat viele Schichten«, sagt er. »Und es lohnt sich, sie von unterschiedlichen Perspektiven aus zu betrachten, um ein besseres, exakteres Bild zu gewinnen. In Ihrem Kopf, in jedem Kopf, findet ein Dialog statt, an dem viele Stimmen beteiligt sind. Es ist wichtig, ihnen allen zuzuhören. Die lauteste Stimme, die, die schreit und sich vordrängt und schubst, ist
nicht immer die klügste oder die richtige. Ich zu sagen bedeutet eine grobe Verallgemeinerung. Manchmal funktioniert es, ist es eine nützliche Abkürzung; aber meist, oder zumindest wenn es wichtige Themen betrifft, tut man gut daran, genau hinzuhören, sowohl dem Schüchternen als auch dem Stotterer einmal das Mikrofon zu überlassen.«
    Sie nickt.
    »Lassen Sie uns das üben«, sagt er. »Erzählen Sie mir von einem Ereignis, das Gefühle in Ihnen geweckt hat.«
    Sie starrt ihn an.
    Schweigen.
    Bedeutungsschwangeres Schweigen.
    »Manchmal wache ich nachts auf und sehe an der Wand so etwas wie einen verschwommenen, beweglichen Fleck, der hin und her huscht«, sagt sie schließlich. »Wie ein gräulicher Tintenfisch. Manchmal habe ich nachts das Gefühl, auf dem Teppich Schritte zu

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