Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
den Nacken, den Blick zur Decke gerichtet, schiebt die Hüften vor und geht auf die Knie, spreizt die Beine und lässt einen Finger langsam an ihrem Bein hinaufgleiten; sie führt den Finger an ihre Lippen und dann wieder zwischen ihre Beine, dann kriecht sie an den Rand der Bühne und streckt diesen Finger einem Zuschauer entgegen, einem zitternden, massigen Mann, der sich vorbeugt und den Hals reckt, als wollte er ihren Finger ablecken. Sie streckt den Finger dicht vor ihn hin, wedelt ihm damit vor dem Gesicht herum, lässt ihn vor seiner Nase flatternd sinken; er beugt sich vor, und plötzlich stützt sie sich mit beiden Armen nach hinten ab, dreht das Becken, und ihre Schenkel umklammern das Gesicht des Mannes wie die Kiefer eines wilden Tieres. In der linken Hand des Mannes wedelt wie eine Flagge ein Fünfdollarschein. Sein Kopf verschwindet zwischen ihren üppigen Schenkeln; ihre Hüften wackeln und bewegen sich langsam auf und ab; sie nimmt seine Hand, führt sie zu ihrem String und stopft den Schein hinein. Dann geben ihre Schenkel nach und öffnen sich; sie zieht sich zurück, dreht
sich um, steht auf und tänzelt, ohne einen Blick zurückzuwerfen, von der Bühne, lässt den Mann am Fuß der Bühne hinter sich, der brüllt und heult und mit den Händen fuchtelt; dann fällt er auf seinen Stuhl, erschöpft und benommen.
Auch der Psychologe ist einen Augenblick lang erschöpft und benommen. Die Kellnerin erscheint von irgendwo hinter ihm mit einer Flasche Bier. Er bezahlt, nippt daran und blickt sich um. Die Bühne leert sich, das Licht wird weiter heruntergedimmt, und von irgendwo erhebt sich eine Stimme und verkündet aufgeregt: »Und jetzt begrüßen wir auf der Bühne des Silver Fox wieder die sexy, die aufregende, die einzigartige Tiffany Johnson!« Gelbes und rotes Licht überflutet die Bühne und beginnt zu zucken; der Bass kehrt zurück, eindringlich und insistierend; die Zuschauer klatschen und johlen, und in einer weißen Wolke sieht er, wie Tiffany, die Vier-Uhr-Klientin, langsam auf der Bühne Gestalt annimmt. Der Psychologe beugt sich vor, um sie genauer anzusehen; sein Herz hämmert. Sie schlendert gemächlich auf die mittlere Stange zu. Sie trägt einen kurzen Lederminirock und ein knappes, glänzendes pinkfarbenes Jäckchen, das nur halb den spitzenbesetzten weißen BH darunter verbirgt.
Sie tritt an die Stange und hält sich mit einer Hand daran fest; sie wendet den Zuschauern den Rücken zu und bückt sich tief und langsam, mit hoch erhobenem Hintern. Sie bleibt in dieser Position und dreht den Kopf in Richtung der Zuschauer. Ihr Blick trifft den Psychologen, gleichzeitig kindlich und wissend, einladend und abweisend, verächtlich und bittend. Jetzt dreht sie sich um, lehnt den Rücken an die Stange; ihre Hände liegen auf den Knien, sie spreizt langsam, wie unter Anstrengung, die gebeugten Beine und schließt sie sofort wieder. Auf ihren geöffneten roten Lippen liegt ein angedeutetes neckisches Lächeln.
Sie wirft den Kopf von einer Seite zur anderen; das Haar peitscht ihr ums Gesicht, sie richtet sich auf und tritt mit einem exakten, entschlossenen Schritt an den Bühnenrand. Sie packt die Seiten ihres Jäckchens, schlüpft mit einer einzigen schlangenhaften Bewegung heraus, wirft es zu Boden, wirbelt herum und fällt auf die Knie, und mit einer knappen, beinahe unsichtbaren Bewegung öffnet sich ihr BH, und sie bedeckt ihre Brüste mit beiden Händen. Ihre Hüften, schimmernd und schlank, kreisen lasziv; ihr Rücken wölbt sich, ihre Augen schließen sich; bumm-bumm-bumm hämmert der Bass; langsam gleiten ihre Finger zurück an die Seiten. Ihr Gesicht nimmt einen gequälten, freudigen Ausdruck an. Ihr Blick ruht nun auf ihrem Körper, folgt ihren Händen; Zentimeter um Zentimeter werden ihre Brüste entblößt: winzige, aufgerichtete Brustwarzen. Der Psychologe starrt sie mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Ungläubigkeit an, bemüht, in dieser nackten, sich windenden Frau unter den Lichtern die Vier-Uhr-Klientin zu erkennen, die kindliche, verschüchterte Waise. Er sucht nach einem klaren Zeichen, dass sie es tatsächlich ist, kann aber keines finden. Mit Ausnahme ihres Gesichts, das hinter den zuckenden Lichtern verborgen und verzerrt ist, kann er kein Zeichen finden. Plötzlich hat er das Gefühl, eine steile, vereiste Schlucht hinunterzustürzen, und sucht mit den Händen nach einem Halt, doch er fällt weiter, schnell, mit vergeblich zappelnden, kratzenden Händen. Wer ist diese
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