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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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morgen früh warten können?«
    Bevor Ignazio etwas erwidern konnte, hatte sich Asclepios schon wieder nach drinnen gewandt. »Komm, Alvarez, tritt ein. Dein Freund auch. Und macht die Tür hinter euch zu, verdammt.«
    Willalme war beeindruckt von dem brummigen, aber entschlossenen Auftreten des alten Mannes, folgte Ignazio und zog die Tür hinter sich zu. Drinnen fand er sich in einem Vorraum wieder, von dem es auf der linken Seite in eine Art Wohnraum ging, rechts sah man eine weitere Treppe.
    »Verrätst du mir mal, warum er dich Alvarez nennt?«, fragte er flüsternd.
    »So heißt meine Familie seit vielen Generationen«, antwortete Ignazio, ohne sich umzudrehen.
    Asclepios achtete nicht auf ihre Unterhaltung, er wandte sich nach rechts und stieg langsam die Stufen hinauf. Ignazio und Willalme hielten sich hinter ihm, bis sie das oberste Stockwerk erreichten. Hier folgten mehrere kleinere quadratische Räume, die Schränke voller Bücher beherbergten.
    Asclepios da Malabata bewegte sich mühelos durch dieses Labyrinth, bis sie den größten Raum erreicht hatten. Abgesehen von einigen seltsam anmutenden Gegenständen, die dort auf den Regalen lagen, hätte es auch gut ein klösterliches Skriptorium sein können. Willalme fielen merkwürdige Zangen, Waagen aus Bronze und Darstellungen menschlicher Organe ins Auge. Er entdeckte sogar ein Gefäß, das mit Zähnen gefüllt war.
    Müde setzte sich der alte Mann an seinen Schreibtisch. Ignazio nahm ihm gegenüber Platz, und sein Blick ging zu einem hohen Stapel Bücher, unter denen er das bekannte zaubermedizinische Traktat »Die Cyraniden« ausmachte.
    »Was willst du, Alvarez?«, fragte Asclepios. »In den letzten Jahren hast du dich selten blicken lassen. Ich dachte schon, du wärst tot.«
    Ignazio nickte, doch statt zu antworten, blätterte er in einem dicken Buch, das auf dem Tisch lag.
    »Hör auf, in meinen Sachen zu stöbern!«, brauste der alte Berber auf. »Leg das Buch weg, das ist eine Kopie des Kanon der Medizin von Avicenna. Das hat mir ein Arzt aus Siena geschenkt.«
    »Ich erkenne das Buch. Mein Lehrer, Gherardo da Cremona, hat es aus dem Arabischen übersetzt.«
    »Dieser Gherardo war ein großer Mann. Und nur meiner Verehrung für ihn verdankst du es, dass ich zumindest einen Funken Wertschätzung für dich übrighabe. Und dem Andenken an deinen Vater, dieser guten Seele! Er war ein rechtschaffener Mann, nicht so ein Herumtreiber wie du.«
    Bei der Erwähnung seines Vaters verdüsterte sich Ignazios Miene. »Er ist nie frei und unabhängig gewesen«, erwiderte er verärgert. »Er hat sein Leben damit verschwendet, anderen zu dienen, ohne je an sich selbst zu denken.«
    »Verflucht noch mal, er war ein Notarius des Königs von Kastilien!«, fuhr der alte Mann auf, das Gesicht zornesrot. »Kennst du eine höhere Ehre? Du hättest dich entschließen können, ihm zu folgen oder Gherardo da Cremonas Nachfolger als Magister zu werden. Doch weil du so verbohrt bist und von niemandem Befehle entgegennehmen willst, hast du alle verlassen, deine Familie ebenso wie die Medizinschule, und hast dich so bald als möglich davongemacht!«
    Da Ignazio diesen Vorwurf unentgegnet ließ, beruhigte sich Asclepios wieder. »Also gut, wo bist du in all den Jahren gewesen?«
    »Ich habe nicht viel Zeit.« Ignazio beugte sich vor und sah den Alten durchdringend an. »Sag mir, wann hast du Viviën de Narbonne zum letzten Mal gesehen?«
    Asclepios zögerte. Er musterte den Händler, als wolle er sich davon überzeugen, dass er auch nichts Böses im Schilde führte. »Er war vor zwei Tagen hier«, erklärte er dann und verschränkte die dürren Arme vor der Brust. »Du kommst zu spät. Er ist bereits wieder abgereist.«
    »Ich verstehe.« Ignazios Stimme trübte sich ein wenig und klang leicht beunruhigt. »Hat er etwas aus deiner Bibliothek mitgenommen?«
    »Du meinst das ›Uter Ventorum‹?«, fragte Asclepios ohne Umschweife.
    »Ja«, erwiderte Willalme schnell, ehe Ignazio ausweichend antworten konnte.
    Asclepios sah den Franzosen an und sagte lächelnd: »Glückliche Jugend! Ihr wollt immer alles gleich auf der Stelle. Fürchtet stets, man könnte euch den Boden unter den Füßen wegziehen.« Er seufzte. »Also gut, das Buch befindet sich hier. Viviën ist nicht gekommen, um es zu holen, sondern um sich zu vergewissern, dass ich es nach all den Jahren noch immer hüte.«
    Ignazio stützte verärgert die Ellbogen auf den Tisch. »Ich brauche dieses Buch unbedingt …

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