Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
Vom Netzwerk:
volvet la sa cue a le bastun de Jacobus . Zweifellos war Ignazio in Santiago. Wenn er den vierten Teil des »Uter Ventorum« aufspüren konnte, würde er auch ihn finden.
    Nun musste er nur noch begreifen, was und vor allem wo dieser bastun de Jacobus war, und das war nicht so leicht.
    Als er sich der Kathedrale zuwandte, hatte Uberto eine Eingebung. Er lief auf den Haupteingang zu und kam vor dem Pórtico de la Gloria zu stehen, einer prächtigen Eingangshalle, die von Basreliefen gekrönt wurde. Sein Blick glitt suchend durch die Schatten des Pórtico, bis er den parteluz , den Mittelpfeiler des Portals, entdeckt hatte, an dem sich ein steinernes Abbild des heiligen Jakobus befand.
    Der Apostel war als Pilger dargestellt. Er saß ganz oben auf der Säule und stützte mit dem Kopf einen Träger. Seine rechte Hand zeigte die Schriftrolle des Evangeliums, in der linken hielt er einen Pilgerstab.
    Uberto überlegte, dass dieser wohl genau der bastun de Jacobus sein mochte, von dem in dem Rätsel die Rede war. Wenn er recht hatte, war der vierte Teil des »Uter Ventorum« dort verborgen. Er besah sich die Statue genau, umrundete die Säule und betrachtete sie in allen Einzelheiten, doch er konnte nichts anderes entdecken als die kunstvolle Arbeit eines Steinmetzen.
    Seine Eingebung hatte ihn getäuscht. Und da er hier nun keine Hinweise auf das Buch fand, wusste er nicht, wo er Ignazio suchen sollte. Entmutigt verließ er die Kathedrale und lief über den Platz, ziellos und wie benommen.
    Auf einmal griff aus der Dunkelheit jemand nach ihm und packte ihn am Arm.
    Uberto fuhr zusammen. Er sah den Mann an, der ihn aus den Tränen der Enttäuschung gerissen hatte, und war starr vor Überraschung: Vor ihm stand Graf Dodiko.
    »Uberto, was machst du denn hier? Was ist dir zugestoßen?«, fragte der Graf.
    »Wenn Ihr wüsstet, mein Herr, was ich erlebt habe …«, erwiderte Uberto.
    »Jetzt ist nicht die Zeit für Erklärungen, mein junger Freund«, unterbrach ihn Dodiko. »Ich treffe Ignazio in Asclepios Bibliothek. Komm, folge mir.«
    Bei diesen Worten strömte neue Kraft durch Uberto. Er hatte den Händler wiedergefunden! Hastig wischte er die Tränen weg und lief hoffnungsvoll neben Dodiko her.

77
    Im Dunkel von Asclepios Bibliothek betrachtete Ignazio aufmerksam das Lesezeichen, das Viviën für sie zurückgelassen hatte. Die winzigen auf dem Streifen Leder eingeritzten Buchstaben wiesen auf etwas hin, doch ihre Bedeutung entzog sich ihm weiterhin. Er strich sich über den Bart und rief sich erneut das Rätsel auf Provenzalisch in Erinnerung: Amezarak volvet la sa cue a le bastun de Jacobus , »Amezarak windet seinen Schwanz um den Stab des heiligen Jakobus«.
    »Der Schwanz … ach so, das da ist der Schwanz«, rief er irgendwann, und seine Finger umklammerten das Lesezeichen fester. »Aber was zum Teufel kann mit dem bastun de Jacobus gemeint sein? Uns fehlt noch ein Hinweis.«
    »Mit Jacobus ist selbstverständlich Jacobus maior , der Apostel Jakobus, gemeint.« Asclepios beugte sich interessiert vor und geriet mit dem Kopf in den hellen Lichtschein der Kerze vor ihm.
    »Der Schutzpatron der Pilger …«, sagte Willalme nachdenklich und betrachtete das Gesicht des alten Bibliothekars, dessen Züge durch das flackernde Licht beinahe ausgelöscht wurden.
    Ignazio überlegte laut weiter: »Und das Bildnis von ihm, das am meisten verehrt wird, befindet sich hier in Santiago de Compostela, auf dem Mittelpfeiler des Pórtico de la Gloria!«
    Eifrig setzte Willalme seinen Gedankengang fort. »Hat er da zufällig einen Stock bei sich?«
    »Ja, aber darum geht es nicht. Der heilige Jakobus auf dem Pórtico de la Gloria ist wie ein Pilger gekleidet … Er steht als Symbol für die Tausenden von Menschen, die jedes Jahr nach Santiago kommen. Begreifst du? Der Jakobus aus dem Rätsel steht stellvertretend für jeden Pilger und dafür, dass jeder von ihnen auf seinem Weg einen bastun , also einen Pilgerstab, dabeihat.«
    Mit diesen Worten fasste Ignazio das Lesezeichen am untersten Ende und wand es um seinen Pilgerstab, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass die Windungen einander nicht überlappten.
    »Hier«, erklärte er, als fertig war. »Amezaraks Schwanz hat sich um den Stab des heiligen Jakobus gewunden.«
    So aneinandergereiht ergaben die Buchstaben eine ganz neue Verbindung:

    »Faszinierend!«, rief Asclepios. »Wenn man das Lesezeichen nicht um etwas wickelt, ist die Botschaft unverständlich. Das ist ein uralter

Weitere Kostenlose Bücher