Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Vielmehr den Teil, der dir anvertraut wurde.«
»Was du nicht sagst«, erwiderte Asclepios und verdrehte die Augen. Er ließ sich gegen die Rückenlehne seines Stuhls sinken und gestikulierte lebhaft mit seinen knochigen Händen. »Und was würdest du damit anfangen?«
»Es ist äußerst wichtig. Nach mir werden andere kommen, um nach ihm zu suchen, und sie sollten es besser nicht finden. Und um dir alles zu sagen, auch dich sollten sie besser nicht finden. Diese Leute sind gefährlich. Sie würden das Buch für üble Zwecke benutzen.«
Asclepios schwieg einen Moment, unentschlossen, wie er sich entscheiden sollte. »Alvarez, ich traue dir nicht«, gestand er. »Du bist über alle Maßen wissbegierig, und auch du würdest das Buch nicht richtig einsetzen. Doch wie es scheint, bleibt mir leider keine Wahl.« Mit diesen Worten holte er ein kleines Buch aus einer versteckten Schublade unter dem Tisch hervor und hielt es Ignazio hin. »Da ist es. Ich habe keine Vorstellung, was diese Seiten enthalten. Ich habe sie nie gelesen. Nenn es Feigheit, wenn du willst. Für mich allerdings ist es nur gesunder Menschenverstand.«
Der Händler griff hastig zu und schlug das Buch auf. Er las ein wenig, wirkte verärgert, blickte zu Asclepios auf, dann blätterte er ungläubig weiter, als traue er seinen Augen nicht. »Das ist doch ein Scherz!«, rief er verbittert aus.
Der alte Mann schien aus allen Wolken zu fallen. »Was?«
»Bist du sicher, dass dies das richtige Buch ist?«
»Gewiss, was für eine Frage! Viviën hat daran keinen Zweifel gelassen.«
Ignazio reichte ihm die Handschrift zurück. »Sieh! Lies selbst.«
Widerstrebend nahm Asclepios das Buch und schlug eine zufällige Seite auf. Ein Satz fiel ihm sofort ins Auge: »Licht und Finsternis, Leben und Tod, rechts und links sind Brüder. Man kann sie nicht trennen.« Nachdenklich legte er eine Hand ans Kinn. »Das klingt wie eine Stelle aus dem Philippusevangelium.« Misstrauisch blätterte er weiter, las einige Stellen, bis er schließlich erklärte: »Das ist zweifellos das Philippusevangelium.«
»Ganz genau«, bestätigte Ignazio. »Das ist nicht die Art Buch, die ich hier zu finden erwartete.«
»Aber Viviën hat mir versichert, er habe mir das Geheimnis des Engels Amezarak übergeben! Den vierten Teil des ›Uter Ventorum‹ … Das verstehe ich nicht. Was hat dieses apokryphe Evangelium damit zu tun?«
Er gab dem Händler das Buch wieder, der es erneut durchblätterte, allerdings überprüfte er nun geduldig jede einzelne Seite.
»Wie ist das möglich?«, fragte Asclepios und fuhr sich durch die spärlichen Haare.
»Vielleicht ist hier doch etwas«, sagte Ignazio.
Bei seinen Worten kam Willalme näher und senkte den Blick eindringlich auf die Seiten, wobei er ganz vergaß, dass er nicht lesen konnte.
»Nein, Willalme, such nicht im Text selbst«, sagte Ignazio und entnahm dem Buch ein langes Lesezeichen aus Leder, das am Einband festgenäht war. »Das ist es! Das hier muss Viviëns Botschaft sein.«
Asclepios betrachtete den schmalen Lederstreifen. »Bist du dir sicher?«
»Achtet auf die Oberfläche«, sagte Ignazio. »Seht ihr? Dort sind Buchstaben eingeritzt.«
»Es sieht aus wie eine sorgfältige Arbeit.« Asclepios ließ seine Augen über die senkrechte Buchstabenreihe gleiten. »Jemand muss sie mit einer Dolchspitze in das Leder geritzt haben. »Was bedeuten sie?«
»Es ist wieder eins von Viviëns zahlreichen Kryptogrammen«, sagte Ignazio »Die Lösung verbirgt sich im Rätsel der vier Engel, in der letzten Zeile auf Provenzalisch: ›Amezarak volvet la sa cue a le bastun de Jacobus‹ , oder in unserer Sprache: ›Amezarak windet seinen Schwanz um den Stab des heiligen Jakobus.«
»Hast du begriffen, was es bedeutet?«, fragte Willalme.
»Noch nicht«, erwiderte Ignazio. »Aber ich sollte es schnell herausfinden.«
Im Laufschritt erreichte Uberto das schlafende Herz der kleinen Stadt und blieb mitten auf der Plaza stehen. Keuchend holte er Atem und betrachtete die Zwillingstürme, die sich zu beiden Seiten der Kathedrale erhoben.
Er wusste, wie er Ignazio finden würde. Während der Reise mit den Entführern hatte er gehört, wie die beiden sich darüber unterhalten hatten, wo sich der vierte Teil des »Uter Ventorum« befand, und dabei Santiago de Compostela erwähnt hatten. Uberto hatte zwar keine genauen Angaben über das Versteck, doch er kannte das von Viviën de Narbonne auf Provenzalisch verfasste Rätsel auswendig: Amezarak
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