Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
verschlossen.«
»Man sagt auch, die Wikinger sollen ähnliche Substanzen verwendet haben, um ihre Kraft zu steigern: Gewisse Kräuter treiben die Menschen dazu, ihre körperlichen und geistigen Grenzen zu überwinden. Ich frage mich, ob man wirklich zu solchen Mitteln greifen sollte.« Asclepios sah Ignazio durchdringend an.
Der Händler blieb stumm, doch der Wissensdurst, der in seinen Augen aufblitzte, offenbarte, wozu er bereit war. Er ließ die Phiole in seiner Tasche verschwinden und wandte sich an Willalme.
»Gehen wir«, sagte er. »Wir dürfen uns hier nicht zu lange aufhalten.«
Der Franzose nickte. Er lächelte Asclepios zum Abschied zu und ging zur Tür.
Ignazio umarmte den alten Mann. Der murrte überrascht, doch dann erwiderte er die Geste.
»Überleg es dir gut, Alvarez«, mahnte ihn Asclepios. »Lass dich nicht von deinem Hochmut verleiten und von deiner Gier, mehr zu wissen, als dir guttut. Und das sagt dir ein Mann der Wissenschaft. Wir sind dazu geboren, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen, Tiere aus Fleisch und Blut, das sind wir! Und keine unsterblichen Wesen. Bestimmte Türen sollten nie geöffnet werden … Und sei vorsichtig. Ich habe irgendwo gelesen, dass das Haoma ,im Übermaß genossen, sogar tödlich sein kann.«
»Lieber Freund, ich weiß, dass sich hinter deinem ständigen Brummen so etwas wie väterliche Sorge verbirgt.« Ignazio senkte seine Stimme: »Ich brauche noch einmal deine Hilfe. Du musst mir noch einen letzten Gefallen tun.«
Der alte Mann sah ihn empört an: »Vergiss es! Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
78
Ignazio und Willalme hasteten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über die steilen verwinkelten Stufen hinab zum Ausgang des Turms. Als sie das Erdgeschoss erreicht hatten, verließen sie ihn durch eine Geheimtür, die sie auf die Rückseite des Gebäudes führte.
»Ich hätte nie geglaubt, dass es in diesem Gemäuer Geheimgänge geben könnte.« Willalme sog erleichtert in tiefen Zügen die kühle Nachtluft ein. Endlich musste er nicht mehr diesen unangenehmen Geruch einatmen, der im Turm vorgeherrscht hatte.
»Das ist nicht weiter verwunderlich. Asclepios’ Bibliothek ist Teil der alten Befestigungsmauern von Santiago de Compostela«, sagte Ignazio und schritt schneller aus. »Beeilen wir uns. Wir müssen rasch von hier verschwinden.«
Sie drückten sich dicht an den Mauern entlang, um mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Doch sie waren immer noch in der Nähe des Turmes, als sich ihnen ein imposanter Krieger auf einem Pferd in den Weg stellte. Willalme erkannte ihn sofort: Es war der böhmische Hüne. Diesmal trug er keine Maske und ritt entschlossen im Trab auf sie zu.
Slawnik zog heftig an den Zügeln und stieg ab. Drohend kam er auf die Männer zu, die rechte Hand auf dem Schwertgriff. »Übergebt mir das Buch, Ignazio da Toledo, und Euch wird nichts geschehen«, erklärte er bestimmt.
»Es tut mir leid, Messere, aber ich könnte Eurer Forderung nicht einmal nachkommen, wenn ich es wollte.« Ignazio wich einen Schritt zurück und drehte sich schnell zu seinem Gefährten um. »Zurück in den Turm! Noch können wir es schaffen. Dort sind wir in Sicherheit.«
»Nein«, brauste Willalme auf. »Sie werden uns so oder so auf den Fersen bleiben! Ich möchte nicht den Rest meines Lebens damit verbringen, mich ständig umsehen zu müssen. Das Ganze muss ein Ende haben!«
»Du weißt nicht, was du sagst. Komm mit!«, befahl Ignazio.
Doch der Franzose hörte auf niemanden mehr. Die Wut verzerrte seine Sicht auf die Wirklichkeit. Schnell zog er seinen Krummsäbel und warf sich auf den Feind.
Geschickt zückte der kampferfahrene Böhme sein Schwert und parierte einen Hieb gegen seine linke Seite.
Ihre Klingen trafen aufeinander.
»Ich habe dich kämpfen gesehen, Franzose«, stieß Slawnik aus, während er versuchte, seinen Gegner in die Knie zu zwingen. »Du solltest dich lieber ergeben!«
Willalme musste unter dem Druck des Böhmen langsam zurückweichen. Unglaublich, wie stark dessen Arme waren! Mit zusammengepressten Zähnen versuchte er standzuhalten, doch vergeblich: Trotz tapferer Gegenwehr wurde er zu Boden geworfen. Er stand sofort wieder auf und bereitete sich darauf vor, einen neuerlichen Angriff abwehren zu müssen, doch sein Gegner gönnte ihm eine unerwartete Pause.
Slawnik sah seinen Feind mitleidig an, ging zu seinem Pferd und holte aus dem vorderen Sattelbogen ein zweites Schwert. Er ließ beide Klingen durch die Luft
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