Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
warst du die einzige Verbindung zum ›Uter Ventorum‹. Zunächst ließ er dich von seinem böhmischen Vasallen Slawnik verfolgen, dann ist er dir persönlich nach Spanien nachgeeilt und hat getan, als sei er dein Freund. Während der ganzen Zeit habe ich euch immer beobachtet. Ihr beide wart so sehr mit der Suche nach dem Buch beschäftigt, dass ihr mich gar nicht bemerkt habt. So ist mir Dodiko in die Falle gegangen. Der arme Tölpel! Ich habe mich sogar in Toulouse mit ihm getroffen, und er hat mich nicht erkannt. Um sein Vertrauen zu gewinnen, habe ich ihm enthüllt, wo sich dein Landgut befindet … Dann habe ich auf den richtigen Moment gewartet und ihn getötet.«
Ignazio durchbohrte Viviën mit seinen Blicken. So also hatten die Erleuchteten sein Heim ausfindig machen und Uberto entführen können. Also hatte er recht gehabt, Viviën war der Mann, der Dominus informiert hatte.
»Du Elender!«, rief Ignazio. »Du bist die Wurzel meines Unglücks. Du weißt nicht, was ich in diesen Jahren durchgemacht habe, um vor Dominus und der Heiligen Vehme zu fliehen! Jetzt durchschaue ich alles! Du hast diese irrsinnige Schatzsuche nur veranstaltet, um Dominus ein für alle Mal loszuwerden, ohne dich auch nur im Geringsten darum zu kümmern, was du mir damit antust!« Während er diese Worte wütend ausstieß, schlug er dem Entstellten so heftig ins Gesicht, dass dieser gegen den Altar der Krypta taumelte.
Dort ging Viviën unter der Wucht des Aufpralls zu Boden. Blind vor Wut stürzte sich Ignazio auf ihn und packte ihn an der Kehle. Er drückte fest zu und starrte seinem ehemaligen Freund ins entstellte Gesicht, während dieses sich in verzweifelter Atemnot verzerrte.
»Mein Leben … meine Familie ist deinetwegen zerstört!«
»Warte …«, keuchte Viviën. »Ich habe den ersten Teil des Buches bei mir … Den Engel Amaros …«
»Du armer Irrer!« Ignazio ließ los, ehe der andere starb. »Der Sturz von diesem Berg hat dich nicht nur entstellt, sondern dir auch den Verstand geraubt! Das ›Uter Ventorum‹ gibt es nicht … und hat es nie gegeben. Erst jetzt begreife ich das!«
»Oh nein«, erwiderte Viviën von Husten geschüttelt. »Ich hatte dir gesagt, dass die Lage weit komplizierter ist, als es den Anschein hat …« Er rang nach Luft. »Das Buch existiert. Das ›Uter Ventorum‹ gibt es wirklich! Aus welchem Grund wohl hätte Dominus mich sonst all die Jahre gejagt?«
»Und warum hast du es dann nicht benutzt?«, fragte Ignazio eher gleichgültig, als hätte die Antwort für ihn keine Bedeutung mehr.
Viviën stand auf. »Weil ich dazu nicht in der Lage bin, verflucht noch mal! Deswegen habe ich dich hierhergelockt: Ich brauche deine Hilfe! Die vier Teile des ›Uter Ventorum‹ müssen in einer bestimmten Ordnung zusammengefügt werden, damit sie ihre Wirkung entfalten können. Ich habe sie all die Jahre studiert, aber immer noch entzieht sich mir ihre Bedeutung. Du bist der Einzige, der das Geheimnis des Buches entschlüsseln kann.«
»Du weißt nicht, was du sagst, Viviën.« Ignazio starrte den ehemaligen Freund an, während ein bitteres Lächeln seine Lippen kräuselte. »Wie kannst du nur annehmen, dass ich dir helfen würde? Du hast meine Freundschaft verraten, du bist zu einem kaltblütigen Verbrecher geworden. Früher warst du anders …«
»Fünfzehn Jahre in Angst und Schrecken können einen Menschen verändern. Die Angst hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin«, erwiderte Viviën, packte einen Kerzenleuchter und strebte mit dem Licht auf den Ausgang der Krypta zu.
»Lügengewäsch! Ich habe dieselben Ängste durchlitten, aber ich habe meine Freunde nicht verraten. Nein, die Wahrheit ist, dass du schon immer skrupellos warst. Aber du bist sehr geschickt darin, deine wahre Natur zu verbergen!« Ignazio folgte Viviën durch die unterirdischen Kirchenschiffe. »Ist dir eigentlich bewusst, wie viele Leben du geopfert hast, um deines zu retten?«
»Du willst mir demnach nicht helfen?«, fragte Viviën ungeduldig. Es klang wie ein Ultimatum.
»Nein«, erwiderte Ignazio auf dem Weg nach oben.
»Überleg es dir gut, du könntest es bereuen«, beschwor ihn Viviën, als sie in der Mitte des Hauptschiffes angekommen waren.
Ignazio blieb stehen und blickte sich um. Ihm schien es, als schlössen sich die Bogen des Markusdoms immer enger um ihn. Er fühlte sich wie in einer Falle.
»Siehst du, lieber Freund«, durchschnitt Viviëns schrille Stimme die Stille, »ich habe Graf Dodiko nicht
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