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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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aufhängte.
    »Entschuldigt, aber ist das hier das Haus von Doña Sibilla?«, fragte er sie freundlich.
    »Das kommt darauf an«, erwiderte die Magd misstrauisch. »Wer will das wissen?«
    »Ich bin ein Freund von Ignazio da Toledo.«
    Bei diesen Worten verfinsterte sich die Miene der Frau nur noch mehr, und sie musterte Asclepios argwöhnisch, dann bedeutete sie ihm, er möge warten, während sie ins Haus ging und laut nach der Herrin rief. Wenig später kam sie zusammen mit einer schönen Frau wieder heraus. Sie wirkte anmutig wie eine Dame von vornehmer Abkunft, allerdings trübte ein bitterer Zug ihr Gesicht, als habe sie kürzlich jemanden verloren.
    Sibilla betrachtete den Fremden, dann wandte sie sich an ihre Magd. »Nina, hast du diesen Herrn nach seinem Namen gefragt?«
    »Ich bin Asclepios da Malabata, ein Arzt«, sagte Asclepios, ehe die Zigeunerin antworten konnte. »Ich bringe Neuigkeiten von Eurem Mann Ignazio Alvarez.«
    Er machte schon Anstalten niederzuknien, doch Sibilla sagte: »Erhebt Euch bitte, Asclepios da Malabata. Verzeiht die Umstände, aber ich bin es nicht gewohnt, Botschafter meines Mannes zu empfangen. Er versteckt sich doch sonst vor der ganzen Welt.«
    »Das stimmt allerdings, edle Dame. Aber ich bringe Hoffnung«, antwortete Asclepios und musterte Sibillas ungläubiges Gesicht.

82
    Selbst nach Sonnenuntergang ließ die sommerliche Hitze nicht nach. Schwüler Dunst machte sich in den Straßen von Toulouse breit und legte sich auf die unergründlichen steinernen Gesichter der zwölf Apostel über dem Eingangsportal der Basilika Saint-Sernin.
    Viviën de Narbonne blieb vor der beeindruckenden Kathedrale stehen, um die Spitze des achteckigen Vierungsturms und die Rosette der Westfassade zu bewundern.
    Das Kreuz stand als Symbol für die Sonne und für den Jakobsweg. Aus diesem Grund hatte er die beiden Zwillingskirchen – die Basilika des heiligen Saturnius in Toulouse und die des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela – gewählt, um den ersten und den letzten Teil des »Uter Ventorum« zu verstecken.
    Er wartete geduldig, bis die Vespermesse zu Ende war, dann betrat er die Kirche. Mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf durchquerte er das Hauptschiff. Er kniete vor dem Altar nieder, murmelte mit tränenüberströmtem Gesicht ein Vaterunser und dankte dem Herrn dafür, dass er ihn von der Verfolgung durch die Erleuchteten befreit hatte. Der grausamste Abgesandte der Heiligen Vehme war tot! Viviën erinnerte sich mit Schrecken an den Tag, als ihn dieser entsetzliche Mann den Berg des Klosters San Michele della Chiusa hinabgejagt hatte, und an den Sturz vom Monte Pirchiriano … Die Rote Maske würde ihn nie mehr bedrohen! Nun war der Weg frei für das Treffen mit Ignazio da Toledo, und keiner würde ihn daran hindern können.
    Und alles nur dank Scipio Lazarus …
    Er schob die Erinnerungen beiseite und wiederholte in Gedanken die ersten Zeilen des Rätsels um die vier Engel, das er ersonnen hatte. Armaros ruht unter den Augen von Saint-Sernin. Saturnius hütet die Worte im Hochaltar von Toulouse.
    Viviën wusste genau, wo er suchen musste. Während er vorgab, ins Gebet versunken zu sein, holte er ein kleines Messer aus dem Ärmel seiner Kutte und fuhr mit der Klinge, die er zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt hatte, an einem Ziegelstein im Boden vor dem Altar entlang. Der Mörtel gab sofort nach und zerbröckelte.
    Immer noch kniend, als würde er beten, hob er den Ziegelstein vorsichtig hoch, wodurch eine kleine Höhlung im Boden sichtbar wurde. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn niemand beobachtete, steckte er die Hand hinein und zog eine schmale Pergamentrolle hervor. Dann legte er den Stein an seinen ursprünglichen Platz zurück, bekreuzigte sich und stand auf, wobei er nicht versäumte, wieder dem Herrn zu danken.
    Während er auf den Ausgang zusteuerte, spähte er wie gewohnt forschend zwischen die Säulen der Seitenschiffe, doch auch hier im Halbdunkel der Bogengänge lauerte niemand mehr auf ihn. Als er aus der Kathedrale trat, ließ er erst eine Gruppe Soldaten auf ihrem Rundgang vorbei, ehe er die Rolle aus seiner Tasche hervorzog und einen Blick auf das Geschriebene warf. Er lächelte. Endlich war der erste Teil des »Uter Ventorum« wieder in seinen Händen. Jetzt musste er nur noch nach Venedig reisen und sich auf die Begegnung mit Ignazio da Toledo vorbereiten.

83
    Rund um den Markusdom war es still. Über die Wände des benachbarten

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