Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
sollte.«
»Ich werde aber nicht reden, nicht einmal unter der Folter.« Ignazio wich gegen die Wand zurück, wobei seine Ketten metallisch klirrten. »Du würdest mich ohnehin töten, sobald ich dir alles erzählt habe, was du wissen willst.«
»Doch du könntest dir Qualen ersparen.« Viviën ging zu einem Tisch an der Wand und griff nach einem Bündel Pergamentblätter. »Ich habe mir erlaubt, deine Aufzeichnungen zu lesen«, fuhr er fort und blätterte darin. »Ich sehe, dass du alle Teile des ›Uter Ventorum‹ darin genau kopiert hast … bis auf den mit dem Engel Amaros.«
Er legte die Pergamente weg und zeigte Ignazio eine kleine Schriftrolle. »Amaros enthüllte den Menschen die Kunst der Zaubersprüche. Diese Schriftrolle enthält sieben davon: Sie sind den uralten Ritualen der Sabäer entnommen und dienen dazu, die sieben entitas zu beschwören, also jene himmlischen Wesen, die die Planeten beherrschen. Begreifst du? Das sind die sieben Engel, die in den Himmelssphären angesiedelt sind. Doch man kann mit dem ›Uter Ventorum‹ nur einen einzigen davon beschwören. Wie soll ich den richtigen Spruch herausfinden, ohne einen furchtbaren Fehler zu begehen? Du weißt wohl selbst sehr genau, dass einen in solchen Fällen Fehler teuer zu stehen kommen …«
Ignazios Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln. »Du bist erbärmlich.«
Viviën ging nicht darauf ein, sondern öffnete weit seine Arme. »Hilf mir zu verstehen, mein Freund.«
»Und warum sollte ich das? Damit ich zusehe, wie du der neue Oberste Stuhlherr der Heiligen Vehme wirst? Ist es das, was du den Menschen, die sich letzte Nacht in San Marco versammelt haben, als Belohnung versprochen hast? Willst du mit Hilfe des Buches deine Machtgier befriedigen?«
»Und wenn dem so wäre?«
»Du armer Narr! Nachdem sie dich für ihre Zwecke benutzt haben, werden dich die Freirichter ohne viel Federlesens aus dem Weg räumen.«
Viviën schwieg. Vielleicht hatte Ignazio ja recht. Sicher, er hatte eine Vielzahl von Anhängern um sich geschart, doch er traute keinem von ihnen. Die meisten hatten für den Grafen Dodiko Partei ergriffen. Außerdem war er davon überzeugt, dass Henricus Teutonicus etwas gegen ihn ausheckte.
Aus Angst vor Hinterhalten hatte er beschlossen, sich mit Ignazio abzusetzen und ihn in diesem Turm, fernab von allen anderen, zu befragen. Er hatte nur wenige Männer mitgenommen, denen er vertrauen konnte: drei Krieger von niedrigem Rang, die nichts über die Macht des Buches wussten. Seine Stellung war noch nicht gefestigt, aber wenn er erst einmal das Rätsel des »Uter Ventorum« gelöst hatte, würde es ihm leichter fallen, die Freirichter in Venedig zum Gehorsam ihm gegenüber zu verpflichten. Alles hing nun davon ab, ob Ignazio ihm half.
»Ich bitte dich zum letzten Mal«, sagte Viviën ungeduldig. »Hilf mir freiwillig, denn sonst wirst du es unter Schmerzen tun.«
»Dann sterbe ich lieber«, antwortete Ignazio.
»Wie du willst!«, verkündete Viviën und klatschte in die Hände.
Die Tür öffnete sich weit, und ein Mann, dessen Gesicht von einer schwarzen Henkersmaske bedeckt war, betrat den Raum. Er schritt zu dem Kohlebecken, entnahm ihm ein glühendes Eisen und näherte sich dem Gefangenen.
»Foltere ihn, bis er bereit ist, mir zu helfen«, befahl die Rote Maske.
Den Turm betrat man durch einen Bogen aus ausgeblichenen Ziegelsteinen. Weder Türen noch Gitter verwehrten den Zugang, nur ein einziger Mann stand davor und hielt Wache.
Willalme und Uberto lauerten ganz in der Nähe, im Röhricht verborgen.
»Lass mich vorgehen«, flüsterte der Franzose.
Der Junge nickte.
Willalme glitt lautlos und geschmeidig wie eine Katze aus dem Versteck und schlich auf den Turm zu. Wenige Schritte von ihm entfernt wanderte die Wache mit gelangweiltem Blick auf und ab. Willalme wartete den günstigsten Moment ab, dann schlug er blitzschnell zu.
Der Wächter bemerkte kaum etwas. Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Stirn, und eine Klinge glitt an seiner Kehle entlang. Röchelnd fiel er zu Boden.
Willalme winkte Uberto zu sich heran.
Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass es keine weiteren Wachen gab, stiegen sie in den Turm hinauf.
Der Folterknecht versenkte das glühende Eisen wieder in der Glut. Von Schmerz betäubt, ließ Ignazio den Kopf nach vorn fallen und verlor das Bewusstsein.
»Er will nicht reden«, erklärte der Mann knapp.
»Du wirst sehen, früher oder später wird er reden«, sagte die
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